F. J. Strauß im BAYERNKURIER: Zum Herzog–Besuch Waffen für Saudis

■ Antisemitismus in der BRD abgeschafft / Deutschland soll innerlich stark werden / „Kein Volk kann auf Dauer mit einer kriminalisierten Geschichte leben“ / Stärkung Saudi–Arabiens gegen „revolutionäres Mullah–Regime“ im Iran / Bundesregierung hüllt sich in Schweigen

Aus Bonn Oliver Tolmein

Mit einem entschiedenen Vorstoß für den bundesdeutschen Rüstungsexport nach Saudi–Arabien und einer Warnung vor dem „Bruch im deutschen Geschichtsbewußtsein“, der „droht, das Selbstverständnis und das Selbstbewußtseins auch ganz Europas zu lähmen“, reagiert Franz Josef Strauß in der heute erscheinenden Ausgabe des CSU–Organs Bayernkurier auf die Reise des israelischen Staatspräsidenten in die BRD. „Zum Besuch Chaim Herzogs“ ist der Leitartikel des CSU– Vorsitzenden überschrieben, in dem er die Anregung von Entwicklungshilfeminister Klein (CSU) aufgreift und „eine Handhabung der deutschen Rüstungsexportpolitik“ fordert, „die den Saudis nicht verwehrt, militärische Güter zu erwerben und ihre stabilisierende Funktion in der Region wahrzunehmen“. Am Montag noch hatte Regierungssprecher Ost dieses Ansinnen zurückgewiesen. In Bonn scheint man derzeit bemüht, den Strauß–Artikel zumindest so lange zu ignorieren, wie Herzog sich noch in Bonn aufhält. Offizielle Sprecher der Bundesregierung reagierten mit „Unverständnis“ auf die Bitte um Stellungnahme. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes verwies auf die restriktiven Rüstungsexportrichtlinien von 1982: diese seien auch Israel bekannt. „Deswegen hat das bei den politischen Geprächen in diesen Tagen überhaupt keine Rolle gespielt“. Ähnlich verhalten reagierte auch das Bundeskanzleramt: Regierungssprecher Ost habe am Dienstag die gültige Position des Bundeskanzlers formuliert. Die israelische Botschaft bat mit Rücksicht auf die „augenblickliche besondere Situation“ um Verständnis, daß sie keine Stellungnahme abgebe. Dagegen hat der Zentralrat der Juden in Deutschland gegenüber dem Kölner Express Strauß kritisiert: er zettele zur Unzeit eine vermeidbare Diskussion an und beeinträchtige damit die „großartige Begegnung des israelischen Staatspräsidenten mit dem Bundespräsidenten“. Die Grünen Otto Schily und Waltraud Schoppe erklärten in einem Gespräch mit dem israelischen Staatspräsidenten, die bundesdeutschen Rüstungsexportpläne an Saudi–Arabien seien unfaßbar und zynisch. Herzog hatte zuvor Worms besucht, wo sich die älteste Synagoge Deutschlands befindet. Strauß gesteht in seinem Artikel zwar die „besondere Verantwortung, die das deutsche Volk gegenüber dem Staat Israel hat“, ein, stellt aber gleichzeitig fest, daß das die Bundesrepublik nicht davon entbinde „selbst zu entscheiden, wie wir einem auf Gerechtigkeit gegründeten Frieden in dieser Region näher kommen können“. Fortsetzung auf Seite 2 Die „Forderung nach gleichzeitiger Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser und der Anerkennung sicherer Grenzen für Israel“ laufe auf eine „Quadratur des Kreises“ hinaus. Es gehe darum, daß die „arabischen Nachbarn Israel nicht mehr als Fremdkörper ansehen“. Diesem Ziel könne mit einer Stärkung Saudi–Arabiens, das sich von den „revolutionären und expansiven Absichten des Mullah–Regimes in Teheran“ bedroht fühle, näher gekommen werden. Strauß nutzt den Artikel zusätzlich noch zu einer national–politi schen Kursbestimmung: „Kein Volk kann auf Dauer mit einer kriminalisierten Geschichte leben. Gemeinsam kann mit anderen europäischen Völkern nur die Nation die Zukunft unseres Kontinents gestalten, die selbst innerlich stark und ihrer selbst gewiß ist.“ Die Scham über „die Verbrechen, die eine Unrechtsherrschaft in deutschem Namen verübt hat“, dürfe „nicht zu einem alles hemmenden Zweifel und zu einer moralischen Selbstlähmung führen“. Dadurch beweglich geworden stellt Strauß apodiktisch fest, daß „die gegenwärtige Lage der Juden in Deutschland“ nur mit dem Begriff „Normalität“ beschrieben werden könne. „Einzelne Äußerungen und Vorkommnisse“, die von „jüdischen Mitbürgern“ Erinnerungen an den Nationalsozialismus weckten, „dürfen nicht falsch gedeutet und übertrieben bewertet werden“.