N O C O M M E N T Glücksfall Brasilien

Die Regierungsvertreter der Industriestaaten dürften dieser Tage froh darüber sein, daß sie als „äußeren Feind“ das derzeitige Schulden–Enfant–Terrible Brasilien haben. Die Widerborstigkeit dieses Landes bleibt Hauptgesprächsthema Nr.1 bei der Frühjahrstagung von Weltbank und Währungsfonds. Ruhig schlafen kann die Nadelstreifengesellschaft trotzdem, hat man sich doch inzwischen nicht mehr nur an Tilgungs–, sondern auch an bedingte Zinsboykotts einiger Schuldnerländer gewöhnt. Aufregender wäre es, wenn dieser Gesprächsstoff auf den Pressekonferenzen fehlte. Dann dürfte die Weltöffentlichkeit beobachten, wie die industrialisierte Welt in den bisher größten Handelskonflikt hineinrasselt, und dieser Prozeß auch durch solche Konferenzen nicht aufgehalten werden kann. Bislang bilateral ausgetragene Streitereien weiten sich zwangsläufig zu Überkreuz–Händeln aus. Großbritannien droht Japan wegen der Einschränkung von Telekommunikationsimporten, Japan beschwert sich wegen der US–Halbleiter–Importbarrieren, die USA lassen keine Werkzeugmaschinen aus der EG ins Land... High– Tech–Produktion lohnt weltweit nur in Mengen, die schlichtweg nicht mehr verkauft werden können, und auch wenn Graf Lambsdorff es bestreitet: Der Welthandel ist ein Nullsummenspiel. Erwünschter Export taucht anderswo als unerwünschter Import auf. Das merken die Industriestaaten allerdings erst, wenn die verschuldete Dritte Welt als vermeintlicher Ausstieg aus diesem Spiel ausfällt. Und wenn jetzt auch noch alle Wachstumsprognosen erheblich nach unten korrigiert werden müssen, so wundert es nicht, wenn trotz dieser Entwicklung bei der Mammutkonferenz in Washington lediglich der Wunsch herauskommt, den Dollar zu stabilisieren und ein wenig den Protektionismus abzuschaffen. Eine Lösung in der derzeitigen Logik des Export–Fetischismus gibt es eben nicht. Ulli Kulke