Italien steht vor neuer Wahl

■ Italienische Regierungskrise ist Machtkampf zwischen Craxi und Christdemokraten / Wer ist Profilierungsmeister? / Cossiga bleiben außer Neuwahlen kaum andere Lösungen

Aus Rom Werner Raith

„Dieses Land ist unregierbar“, befand Giovanni Agnelli, Herr über FIAT und nach Meinung vieler auch über den Rest des Landes, „aber das macht nichts. Es läuft auch so alles ganz gut.“ Die Politiker bemühen sich, den Spruch nach Kräften unter Beweis zu stellen. Neueste Schachzüge im Verwirrspiel aller gegen alle, genannt „Regierungskrise“: Staatspräsident Cossiag, der mit gewisser Berechtigung die am Faschingsdienstag mit dem Rücktritt des sozialistischen Ministerpräsidenten Craxi ausgebrochene Krise eher als Machtkampf zwischen dem PSI–Chef und dem Christdemokratenführer De Mits ansieht, hat die Kampfhähne zu einer Vertrauensabstimmung ins Parlament zurückgeschickt. Das aber wollte die DC gerade nicht, weil sie dann offen gegen Craxi stimmen müßte und so als Sündenbock für die endgültige Auflösung der bisher haltbarsten Regierung der Nachkriegsgeschichte Italiens dastünde. Also zog die DC am Mittwoch abend schnell ihre Minister aus dem Kabinett zurück - nicht schnell genug freilich für den quirligen Craxi, der bereits ankündigte, im Senat seinen endgültigen Rückzug auch aus der kommissarischen Führung seines Amtes zu erklären. Wieder muß nun Staatspräsident Cossiga entscheiden - dem allerdings nicht mehr viele Möglichkeiten bleiben: Er kann außer Neuwahlen allenfalls noch die Bildung eines „Garantiekabinetts“ anstreben, das im wesentlichen die Aufgabe hätte, die für Juni ausgeschriebenen Volksentscheide über Kernenergie und Justizreform (die offiziellen Streitobjekte von PSI und CD) durchzuführen und danach erst Neuwahlen auszuschreiben. Eine Lösung, die die wahlscheuen Kommunisten und natürlich die Referendumsbefürworter (Grüne, Radikale, Democrazia proletaria und Sozialisten) vorziehen würden. Craxi jedenfalls glaubt sich weitgehend am Ziel - er hat sich als den großen Macher dargestellt. Beste Aussichten also für Neuwahlen - ein Ziel zumindest, das er hat.