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I N T E R V I E W „Personalleistungen sind Unsinn“

■ Johannes Heimrat, Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes Freier Alternativschulen, zum Privatschulurteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach Privatschulen einen Anspruch auf staatliche Förderung haben

taz: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Mittwoch verkündet, daß Privatschulen einen Anspruch auf staatliche Förderung haben. Die Bundesländer sind entsprechend verpflichtet, zumindest das Existenzminimum der privaten Schulen zu garantieren. Welche Auswirkungen wird das Urteil auf die Zukunft der Freien Schulen haben? Heimrat: Für uns keine Auswirkungen. In dem Urteil heißt es, der freie Träger muß weiterhin die Anfangsinvestitionen zahlen. Zudem gibt es unterschiedliche Regelungen in den Ländern: Außerhalb von Bayern galt bisher eine Schule als errichtet, wenn sie den Schulbetrieb aufgenommen hat. In Bayern gibt es staatliche Förderung erst dann, wenn mindestens eine Klasse durch alle vorgesehenen Jahrgänge durchgeschleust worden ist. Es kommt hinzu, daß sich dieses Urteil nicht auf die Genehmigungsverfahren für Freie Schulen auswirkt. Was mich überhaupt stutzig macht, ist, daß überhaupt nichts über die Höhe des Existenzminimums ausgesagt wird. Wird denn nun der Besuch von Freien Schulen billiger? Also, das kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Denn alle bisher genehmigten Freien Schulen in der Bundesrepublik werden schon staatlich gefördert. Alle nicht genehmigten Freien Schulen, die am Rande der Illegalität betrieben werden, bekommen demnach natürlich auch keine staatliche Unterstützung. Die Karlsruher Richter haben entschieden, daß die ungleiche Förderung von Bekenntnis– und Weltanschauungsschulen und bekenntnisfreien Schulen dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Ist die „Zeit der Diskriminierung“ vorbei? Ja, diese Verknüpfung geht nicht mehr. Aber dies war ja ein Hamburger Sonderfall. Der Rechtsstreit der Brechtschule mit dem Hamburger Senat dauert schon 18 Jahre an. In den anderen Bundesländern ist diese ungleiche Förderpraxis unüblich. Das Urteil der Verfassungsrichter stellt den Ländern jedoch frei, von einer finanziellen Förderung abzusehen und diese durch Personal– und Sachleistungen zu ersetzen. Bedeutet dies, daß demnächst von der Schulbehörde Lehrer als Aufpasser in die Freien Schulen geschickt werden? Also, das halte ich für ganz großen Unsinn. Das geht nur an solchen Schulen, die irgendwie in das Planstellenwesen miteinbezogen werden. Ich kann mir weder plastisch noch theoretisch vorstellen, daß so etwas unternommen wird. Für uns Alternativschulen gilt ohnehin, daß wir keineswegs anstreben, in eben dieses Planstellenwesen miteinbezogen zu werden. Sie sind also enttäuscht? Insgesamt ist es ein ausgewogenes Urteil. Die Hoffnung bleibt, daß das Urteil eine Pilotfunktion für spätere Verfahren hat, wo es z.B. um Anerkennungsfragen geht. Das Interview führte Claus Heinrich

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