Schrottreaktor Stade wieder ans Netz

■ TÜV–Sicherheitsstudie voraussichtlich erst vier Wochen nach Inbetriebnahme veröffentlicht / Stuttgarter Wissenschaftler kamen zu erschreckend hohen Ergebnissen bei Versprödung im AKW Gundremmingen

Aus Bremen Dirk Asendorpf

Passend zum Jahrestag soll Ende April nach dem sechs Wochen dauerenden Brennelementewechsel das AKW–Stade wieder in Betrieb gehen. So jedenfalls hat es die Betreiberfirma PreAG angekündigt. Das Sicherheitsgutachten des TÜV, das während des Reaktorstillstandes angefertigt wurde, wird frühestens im Mai veröffentlicht. Doch nach einer Untersuchung der Materialprüfungsanstalt Baden Württemberg steht schon jetzt fest, daß der TÜV für sein Gutachten nach überholten Vorstellungen gearbeitet hat. Die Hauptgefahr bei dem nach über 20 Jahre alter Technologie betriebenen AKW Stade geht von der Versprödung des Reaktordruckbehälters aus. Das hatte vor kurzem erst ein Gutachten der „Gruppe Ökologie“ im Auftrag der niedersächsischen Grünen festgestellt. Auch die SPD–Fraktion in Hannover teilt die grüne Forderung nach sofortiger Abschaltung des AKW Stade. Die Fraktionen der CDU und FDP dagegen, die nur über eine Stimme Mehrheit verfügen, waren vom Betreiber bisher noch mit dem zu erwartenden TÜV–Gutachten zu beruhigen. Jetzt könnten die aufgetretenen Zweifel zu einer parlamentarischen Mehrheit für die sofortige Abschaltung des „Schrottreaktors“ führen. Im Auftrag der US–Genehmigungsbehörde für AKWs, der NRC, hat die Stuttgarter Materialprüfungsanstalt am stillgelegten AKW Gundremmingen, das von gleicher Bauart wie das AKW Stade ist, die Zuverlässigkeit sogenannter „voreilender Proben“ untersucht. Dabei handelt es sich um Werkstoffproben des Druckbehältermaterials, die im Behälter angebracht und von Zeit zu Zeit auf Versprödung untersucht werden. Da sie sich näher am Reaktorkern befinden als die Druckbehälterwand, errechnet man aus der Versprödung der Probe mit einem bestimmten Umrechnungsfaktor die Brüchigkeit der Wand selbst. Im Vergleich der „voreilenden Proben“ mit der abmontierten Wand des stillgelegten AKW Gundremmingen ergab sich aber nun, daß der errechnete und bislang stets verwendete Umrechnungsfaktor zu völlig falschen Ergebnissen geführt hat. Dr. Jürgen Föhl, der in Stuttgart die Untersuchung leitet, vermutete zunächst eine Verwechslung des Archivmaterials, so sehr wich die tatsächliche Versprödung von der nach den „voreilenden Proben“ zu erwartenden ab. Zwar liegt dieses Ergebnis noch nicht in veröffentlichter Form vor, doch auf Nachfrage der Bremer Bürgerinitiative gegen Atomenergieanlagen (BBA) hat Dr. Föhl ausdrücklich bestätigt, daß der Grad an Versprödung im Fall Gundremmingen eklatant höher lag als angenommen. Im Mai wird der niedersächsische Landtag über die sofortige Stillegung des AKW Stade zu entscheiden haben. SPD und Grüne werden noch vorher einen Untersuchungsausschuß fordern, der überprüfen soll, ob die schweren Sicherheitsbedenken der „Gruppe Ökologie“ durch die Ergebnisse des TÜV–Gutachtens ausgeräumt werden können. Sollte sich die Stuttgarter Materialprüfungsanstalt doch noch zu einer Veröffentlichung ihrer brisanten Erkenntnisse entschließen, bleibt für die PreAG kaum noch Hoffnung auf einen Weiterbetrieb des „Schrottreaktors“ bis ins Jahr 2020, wie sie es gerne hätte.