Sozialhilfe für Sintiza gestrichen

Worms (taz) - „Wenn ein Staatspräsident Herzog in die Bundesrepublik kommt, spricht Bundeskanzler Kohl von der besonderen Verantwortung der Deutschen gegenüber den verfolgten Minderheiten, im Alltag jedoch ist davon nichts zu spüren“, erklärte Peter Berneiser vom Verband deutscher Sinti auf einer Pressekonferenz in der ärmlichen Wohnung einer 72jährigen Sintiza. Der alten und 100prozentig Behinderten Susanna Müller, die 1940 aus Worms deportiert und fünf Jahre in Konzentrationslagern verbringen mußte, wurde zum 1. April die Sozialhilfe gestrichen, da sie im September vergangenen Jahres - mit Zuschüssen aus Verwandtenkreisen - einen acht Jahre alten Opel–Rekord für 850 Mark gekauft hatte. „Ich kann kaum 15 Schritte laufen, bin für zwei Enkelkinder sorgeberechtigt und muß meine schwerkranke Tochter zur täglichen Bestrahlung bringen“, begründete Susanna Müller den Kauf des Wagens. Dies überzeugte weder das Sozialamt noch den Rechtsausschuß in Worms, die Frau Müller Falschangaben und zusätzliche Einkünfte unterstellen. Seit dem 1. April bekommt Frau Müller nur noch die Miete und eine undefinierte Summe von 103,70 Mark überwiesen. Am Donnerstag mittag verlautete der Leiter des Sozialamtes, Herr Baumann, allerdings, daß doch die Sozialhilfe bis zu einer gerichtlichen Entscheidung weiter ausgezahlt werden solle. Nun hoffen die von ihren Erlebnissen gezeichnete Susanna Müller und der Verband deutscher Sinti, den Fall doch noch gütlich über eine Aussprache mit dem Wormser Oberbürgermeister Dr. Neuss regeln zu können. Eva von Hase Mihalik