„Ein Kind kann mich mein Mädchen nennen“

■ Südafrikas schwarze Hausangestellte kämpfen um faire Arbeitsbedingungen und den Anspruch, „Frau“ genannt zu werden

Call me woman - Nenn mich Frau“ ist das Motto der Kampagne, die die Gewerkschaft der südafrikanischen Hausangestellten zur Zeit organisiert. Als Hausangestellte werden schwarze Frauen sogar von Kindern einfach als „Mädchen“ bezeichnet. Außerdem haben schwarze Frauen in Südafrika rechtlich grundsätzlich den Status von Minderjährigen, über die andere bestimmen. Sie aber wollen als Frauen bezeichnet und mit Respekt behandelt werden. Zwei Monate lang reist die südafrikanische Gewerkschafterin Mary Mkhwanazi durch die Bundesrepublik und Westberlin, um über die Situation schwarzer Hausangestellter zu informieren. Die 55jährige sprach über ihr Leben, ihre Arbeitserfahrungen und ihr jetziges politisches Engagement. taz: Wie wurden Sie Hausangestellte? Mary Mkhwanazi: Ich wuchs in einem ländlichen Gebiet auf. Unsere Ernährung und unser Lebensunterhalt hing von dem schlechten, wenigen Boden ab. Als ich mit 18 Jahren mein Kind bekam, für das ich allein zu sorgen hatte, war es so trocken, daß auf dem Boden nichts mehr wuchs. Ich mußte mir Arbeit suchen. Da ich keine Ausbildung hatte, kam für mich nur eine Stelle als Hausangestellte in Frage. Könnten Sie Ihre erste Stelle etwas beschreiben? Zunächst arbeitete ich in einer nahe gelegenen Stadt. Jedoch war es nicht nah genug, um pendeln zu können und deshalb mußte ich dort auch wohnen. Nachdem ich mein eigenes Baby bei meiner alten Mutter zurücklassen mußte, hatte ich mich bei dieser Stelle um ein einjähriges Mädchen zu kümmern. Meine Gefühle gegenüber diesem Kind waren sehr gemischt. Ich wußte nicht, ob ich es lieben oder hassen sollte. Lieben, weil es ein unschuldiges Kind war und hassen, weil es das Privileg hatte, versorgt zu werden, da seine Eltern es sich leisten konnten. Wie verhielten sich Ihre Arbeitgeber Ihnen gegenüber? Ich wurde nicht als menschliches Wesen behandelt. Wir Hausangestellten sind nichts als eine Arbeitseinheit für sie. Die ganze Kommunikation bezieht sich nur auf die Arbeit. Mich behandelte man außerdem wie eine Krankheitsträgerin. So durfte ich nicht in der Küche essen und mußte sogar mein Geschirr draußen am Brunnen abwaschen. Das war damals so und daran hat sich auch heute noch nichts geändert. Es ist schon absurd: da wird man als Krankheitsträgerin behandelt und versorgt gleichzeitig die Babies der Arbeitgeber. Kein Bett, keine Möbel, nichts... Wie waren Sie untergebracht? Das Zimmer, in dem ich wohnte, war völlig leer. Kein Bett, keine Möbel, absolut nichts. Man erwartete von mir, daß ich auf dem Boden schlafen, sitzen und essen sollte. Sie konnten keinerlei Ansprüche stellen? Damals hatte ich noch zuviel Angst, um Dinge vom Arbeitgeber zu fordern. Denn da, wo ich aufwuchs, wurden die Weißen wie Könige behandelt. Wie lange arbeiteten Sie insgesamt als Hausangestellte? Abgesehen von ein paar Unterbrechungen mehr als 20 Jahre. Meine erste Stelle gab ich auf, um in eine größere Stadt, nach Durban, zu gehen. Dort stellte ich fest, daß die Arbeitsbedingungen überall die gleichen sind: extrem niedrige Löhne, keine geregelten Arbeitszeiten, keine freien Tage; alles liegt im Ermessen der Arbeitgeber. Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, sich gemeinsam mit anderen Hausangestellten zu organisieren? 1980 begannen wir, Versammlungen mit Hausangestellten abzuhalten und sie nach ihren Bedürfnissen zu befragen. Auf diesen Versammlungen wurden immer folgende Probleme diskutiert: die viel zu niedrigen Löhne, das Fehlen eines Mutterschutzes, einer Arbeitslosen– und Krankenversicherung, des Jahresurlaubs und nicht zuletzt der Rente. Als Hausangestellte bekommt man keine Rente, da kann man arbeiten, bis man umfällt. Die Arbeitgeber entlassen einen dann meist noch rechtzeitig. Um die Probleme zu lösen, entschieden wir uns, eine Organisation zu gründen, und das war im Jahr 1981 die SADWA, die „South African Domestic Workers Association“. Welche Ziele hatte die SADWA? Uns ging es nicht darum, das Verhältnis zwischen Hausangestellten und ihren Arbeitgebern zu verbessern, sondern um die gesetzliche Fixierung von fairen und vernünftigen Arbeitsbedingungen. Haben Sie in dieser Hinsicht schon etwas erreicht? Bisher nicht. Seit wir 1981 ein Memorandum nach Pretoria ge schickt haben, verhandeln wir mit der südafrikanischen Regierung, aber bisher ist noch keine unserer Forderungen erfüllt worden. Im November 1986 haben wir uns dann mit anderen kleineren Gewerkschaften zusammengeschlossen und die SADWU, die „South African Domestic Workers Union“, gegründet. Was haben Sie in den letzten Monaten gemacht? Zunächst haben wir eine Resolution verabschiedet. Wenn die Regierung und die Arbeitgeber nicht einige grundsätzliche Forderungen erfüllen, überlegen die Hausangestellten, im Mai in Streik zu treten. Allerdings ist ein Streik bei diesem Beruf recht schwierig, da die Menschen isoliert und von Unterkunft und Ver pflegung abhängig arbeiten. Während ich hier bin, macht sich der Nationalrat unserer Organisation über weitere Maßnahmen Gedanken. Wir sind mit anderen Gewerkschaften in COSATU, dem „Congress of South African Trade Union“, organisiert, und ich denke, daß wir mit deren Hilfe unseren Protest ausdrücken können. Die Leute haben einfach Angst Wird die Arbeit der SADWU durch die Verhängung des Ausnahmezustands behindert? Die Erklärung des Ausnahmezustands am 12. Juni fiel mit einer Versammlung der Hausangestellten zusammen. Die Teilnehmer konnten die Halle nicht betreten, weil das Gebäude von 22 Armeefahrzeugen umstellt war. Viele Hausangestellte vom Land sind zum ersten Mal in einer solchen Situation gewesen. In der Stadt sehen wir Militärfahrzeuge häufiger. Seit diesem Tag kommen nicht mehr so viele zu unseren Versammlungen, da sie einfach Angst haben. Wie sieht Ihre alltägliche Arbeit im Büro aus? In den Büros arbeiten wir an vielen Problemfällen, z.B. kommen Hausangestellte zu uns, wenn sie entlassen worden sind. In Johannesburg kommt es zu vielen körperlichen Verletzungen von Hausangestellten. In der verschärften politischen Situation lassen viele Arbeitgeber ihre Aggressionen an den schwarzen Hausangestellten aus. Hat SADWU nur weibliche Mitglieder? Vorwiegend, da 90 Prozent der Hausangestellten weiblich sind. Alle Positionen von Frauen besetzt Dann werden die meisten Positionen in SADWU von Frauen bekleidet? Alle Positionen. Verstehen Sie die Arbeit Ihrer Organisation auch als Arbeit für die Rechte der Frau? Ja. Wir verstehen sie als Arbeit gleichermaßen für die Rechte der Arbeiter und der Frauen. In unserer Resolution haben wir uns auch für die Abschaffung der Ausbeutung von Frauen stark gemacht. Welchen besonderen Beitrag können Sie als schwarze Frau leisten, um das südafrikanische System zu verändern? Ich denke, wenn wir durch unsere Organisation eine Veränderung im Bewußtsein der Frauen bewirken können, dann haben wir schon viel geleistet. Die weiblichen Hausangestellten leiden unter einem starken Minderwertigkeitskomplex. Wir wollen Ihnen durch mehr Bildung zu einem neuen Selbstbewußtsein verhelfen, damit sie es wagen, für ihre Rechte einzutreten, und das wird sich auf die ganze Situation in Südafrika auswirken. Welche Bedeutung hat das Motto Ihrer Rundreise „Call me woman - Nenn mich Frau“? In Südafrika sind ja alle schwarzen Frauen rechtlich minderjährig. Und als Hausangestellte werden wir als „Mädchen“ bezeichnet - sogar ein vierjähriges Kind kann mich als „Mädchen“ bezeichnen. Wenn jemand wirklich etwas geleistet hat, wird gesagt, er oder sie hat ihren Mann gestanden, doch wir wollen einfach als Frauen bezeichnet werden. Können wir Sie von hier aus in Ihrer Arbeit unterstützen? Ich wäre Euch dankbar, noch als letzten Versuch unserer Verhandlungen mit der südafrikanischen Regierung, Briefe an den Arbeitsminister, den Minister of Manpower, zu schreiben, in denen Ihr die gesetzliche Verankerung für die Rechte der Hausangestellten fordert. Das Gespräch führten Franziska Krisch und Cilly Teroerde