Lemminge in Hamburg

■ Ein bemerkenswerter Wahlkampf der SPD und der GAL

Spätestens seit dem SPD–Landesparteitag kann sich der Beobachter des Eindruckes nicht erwehren, als würde eine seltsame rot–grüne Prozession aus Mehrheitssozialdemokraten und Mehrheits–GALiern sich auf den 164 m hohen Süllberg in Blankenese wälzen, um sich von dort wie die Lemminge in die vergiftete Elbe zu stürzen. Die SPD geht mit einem Spitzenkandidaten in den Wahlkampf, der keine Gelegenheit ausläßt zu verkünden, er würde zurücktreten, es sei denn, die Wahl am 17. Mai bringe ein Ergebnis, an das weder Demoskopen noch Wahlvolk glauben mögen: Eine numerische Mehrheit von SPD und FDP. Gleichzeitig heißt das sozialdemokratische Wahlkampfkonzept „Gegen die Wende auch in Hamburg“ - mit betonter Koalitionspräferenz für eine Partei, von der selbst CDU–Bürgermeisterkandidat Hartmut Perschau sagen kann: „Die stehen doch rechts von uns.“ Nicht viel anders sieht es bei der GAL aus. Sie bringt das Kunststück fertig, jede Koalitionsform mit der SPD auszuschließen und zu betonen, auf der Grundlage eines Tolerierungskatalogs mit ihr zusammenarbeiten zu wollen. Und gleichzeitig stellt der grün–alternative Landesvorstand fest, daß in der Partei eigentlich niemand so richtig weiß, was der Tolerierungskatalog in der Praxis denn bedeute. Kein Wunder, wenn linke und Reformwähler lieber gleich zu Hause bleiben werden. Erst wurde ihnen in den vier Monaten der Hamburger Verhältnisse systematisch jede Hoffnung auf Veränderung ausgetrieben, und nun verkündigen beide linke Parteien mehrheitlich zur Wahl: Rot und grün wollen stur getrennt marschieren, um so die Wende zur CDU/ FDP–Regierung doch noch zu ermöglichen. Tom Janssen