I N T E R V I E W „Die FDP wird zur CDU de Luxe“

■ Der Datenschutzexperte Professor Klaus Brunnstein beantwortet Fragen zu seinem Austritt aus der FDP

Professor Klaus Brunnstein, Informatiker und ehemaliger Chef der FDP–Hamburg, ist am Wochenende aus seiner Partei ausgetreten. Begründung: Die FDP habe in den Bonner Koalitionsverhandlungen darauf verzichtet, Datenschutzforderungen durchzusetzen. Brunnstein ist vielgefragter Experte für Volkszählung und Datenschutz. Er hatte mehrfach öffentlich angekündigt, Verfassungsklage gegen die Volkszählung zu stellen. Mißbrauch der Daten und Reidentifizierung der Befragten könne nicht ausgeschlossen werden, so sein Argument. Außerdem sei nach geltendem Statistikgesetz ein Boykott der Volkszählung nicht rechtswidrig. Seit der Wahlschlappe von 1982 hatte Brunnstein keine Parteifunktionen mehr ausgeübt. Er war 1974 in die FDP eingetreten. taz: Herr Professor Brunnstein, Sie waren nach der Wende Nachfolger der linksliberalen Helga Schuchardt im Bundestag und Hamburger Spitzenkandidat der FDP. Hatten Sie denn 1982 das Gefühl, Mitglied einer Datenschutzpartei zu sein? Brunnstein : Auch nach der Wende haben Lambsdorff und Genscher stets gesagt, Liberalismus im Innen– und Rechtsbereich dürfe gerade im Zusammenhang mit der Union nicht klein geschrieben werden. Die Parteibasis ist weitgehend immer noch auf dieser alten Linie. Zwar nicht in Berlin, und teilweise auch nicht in Hamburg. Da gibt es eine schlimme Entwicklung zu einer CDU de Luxe. Vor allem aber hat sich die Parteispitze klammheimlich und auf rüde Weise davon verabschiedet. Warum wollen Sie denn nicht wenigstens dieser Parteibasis treu bleiben? Weil ich keine Möglichkeit mehr sehe, eine sinnvolle Entwicklung zu unterstützen. War das der Anlaß für Ihren Austritt? Nein. Was das Faß zum Überlaufen brachte, war mein Auftritt auf einer GAL– Veranstaltung in meinem ehemaligen Wahlkreis Blankenese zusammen mit dem Referenten des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten. Der Parteivorstand sagte mir, das sei parteischädigendes Verhalten. Ich hatte davor ungefähr zehn Termine angeboten, um mit Herrn Baum ein Streitgespräch zu führen. Die hat die Hamburger FDP samt und sonders abgelehnt und einen Termin angeboten, an dem ich nicht konnte. Man will mich offenkundig mundtot machen. Bei einer anderen Partei darf ich nicht auftreten, bei der FDP läßt man mich nicht auftreten. Ihr Parteivorstand hatte vielleicht das Gefühl, daß Professor Brunnstein langsam zu den Grünen abwandert. Die FDP ist nicht mehr die liberale Partei, in die ich eingetreten bin und wie ich sie mir vorstelle. Glauben Sie denn, daß nun die Grünen, oder irgend eine andere Partei plötzlich liberal geworden sind? Also müssen wir die Volkszählung außerparlamentarisch boykottieren? Ich habe immer nur sachlich referiert, nie zum Boykott aufgerufen. Aber der Herr Engelhardt auf dem Sitz des FDP–Begründers Thomas Dehler soll endlich mal kritisch gegenüber sich selbst sein und sehen, daß er diesen Unsinn von Strafdrohungen gegen den Boykott aus der Welt schafft. Nach mehr als acht Jahren hat die Hamburger FDP zum erstenmal wieder die Chance, in das Landesparlament, die Bürgerschaft, einzuziehen. Wäre das nicht eine Aufgabe für Sie gewesen? Ich halte auch die Hamburger FDP–Spitze nicht für einen Ausbund an Liberalität. Insofern kann ich am weiteren Schicksal der Hamburger FDP keinen vertieften Anteil mehr nehmen. Interview: Niklaus Hablützel