Löwentöter gegen aalglatten Polithai

■ Die südafrikanische Nationale Partei, seit fast vierzig Jahren im Amt, hat einen schweren Stand in der Hochburg des ultrarechten Konservativen Dr. Andries Treurnicht / Im Wahlkreis Waterberg in der Provinz Transvaal bestimmen die Buren den Lauf der Dinge / Löwentöter Johannes „Pum“ Lambrecht, Spitzenkandidat der Regierungspartei, fehlen die griffigen Alternativen / Als Befürworter begrenzter „Reformen“ gilt er schon beinahe als Linker

Von Hans Brandt

Nylstroom (taz) - „Stoppt Inflation! Verweigert Integration! Rettet die Nation! Stimmt CP!“ Die reimenden Wahlplakate der ultrarechten Konservativen Partei (CP) begrüßen mich am Rande der Hauptstraße der Kleinstadt Nylstroom (“Nilstrom“). Hier ist das Zentrum des Wahlkreises des CP– Vorsitzenden Dr. Andries Treurnicht, der hundertfach von den Plakaten auf die Passanten herunterlächelt. Seit 16 Jahren vertritt Treurnicht nun schon die Erdnuß–, Mais– und Rinderbauern des Wahlkreises Waterberg in der Provinz Transvaal im weißen Parlament in Kapstadt - erst als Mitglied der regierenden Nationalen Partei (NP) und seit 1982, als er den Bruch der NP nach rechts anführte, als Vertreter seiner eigenen CP. Als die ersten Buren nach ihrem jahrelangen Marsch in Ochsenwagen auf der Flucht vor den englischen Kolonialisten hier ankamen und einen größeren Fluß entdeckten, da dachten sie, sie hätten die Ufer des Nils erreicht. Das hügelige Gebiet nordwestlich von Johannesburg an der Grenze zu Botswana hat sandige, dicht mit Dornbüschen bewachsene Böden, die schwer zu bewirtschaften sind. Es ist eine harte, heiße Gegend und eine der konservativsten Ecken Südafrikas. Hier schwarz zu sein, bedeutet jeden Weißen als „Herr“ ansprechen, ein zehnjähriges weißes Mädchen „kleines Fräulein“ nennen zu müssen. Ein aalglatter Politiker Im Wahlbüro der CP gilt ein erneuter Sieg des liebe– und respektvoll „Doktor“ genannten Kandidaten als sicher. „Ein Interview mit dem Doktor wollen Sie?“ Hannes van Zyl, der regionale CP– Vorsitzende, ist ein Riese, nach dessen Händedruck ich mir heimlich die Finger wach reiben muß. „Aus Deutschland sind Sie?“ Für die Deutschen haben Südafrikas Rechte eine Schwäche (vielleicht sind wir ja doch heimlich noch Nazis). „Nun gut“, sagt van Zyl freundlich. „Eine halbe Stunde heute nachmittag läßt sich machen. Mehr geht nicht, denn der Doktor wird später noch bei einer Schülerversammlung sprechen. Und dann ist da natürlich die Großkundgebung heute abend.“ Treurnicht mag auf den Plakaten wie ein großer Führer aussehen. In Wirklichkeit ist er ein kleiner Mann, der seine Statur noch mit hohen Absätzen aufbessern muß. Doch er ist ein erfahrener Politiker, ein Mann von Welt, imposant im tadellosen Nadelstreifenanzug. Er gibt sich souverän gelassen, schüttelt die Hände seiner männlichen Mitarbeiter, schäkert mit den eifrigen, in rosa oder hellblau gekleideten Parteidamen, die Wählerkarteien führen und Telefone beantworten. Wie alle Politiker umgibt Treurnicht sich gerne mit den Symbolen seiner Partei. Da hängt ein in den Landes– und Parteifarben Orange, Weiß und Blau gehäkeltes CP–Wappen an der Wand, wohl ein Geschenk einer treuen Unterstützerin. Treurnicht, dessen Name wörtlich übersetzt „trauere nicht“ heißt, zeigt mir stolz einen Wahlkampf–Aufkleber: „Wähle CP und trauere nicht, wähle NP und trauere später“. Treurnichts Politik ist allerdings alles andere als humorvoll. „Wir verteidigen die politischen Interessen und Rechte der Weißen in Südafrika“, sagt er unumwunden. „Wer die Macht (mit Schwarzen) teilt, der verliert die Kontrolle. Die Teilung des Landes in einzelne Staaten für verschiedene Rassen ist die einzig wahre Politik für Südafrika.“ Verkehrte Welt Am Abend im Stadtsaal von Nylstroom wird Treurnicht noch deutlicher. 600 Unterstützer haben sich da versammelt. In Sprechchören wird Treurnichts Name gerufen. Journalisten werden ausgepfiffen und beschimpft. Die Buren im Publikum, zumeist große Männer mit harten, schweren Händen, ihre Gesichter gefurcht von der heißen Sonne, haben keine Zeit für Liberale und ähnliches Gesindel. Dazu zählt auch und vor allem Staatspräsident P.W. Botha. „Wenn wir an die Macht kommen, dann wird es viel zu reformieren geben in Südafrika“, verspricht Treurnicht. „Wir werden alles reformieren müssen, was P.W. Botha verformt hat. Nur so werden wir Kontrolle über unser eigenes Vaterland zurückgewinnen. Wir als Weiße fordern, daß wir durch unsere eigenen Leute regiert werden, nur durch Weiße!“ Im donnernden Applaus lächelt der große Führer wohlwollend. Treurnicht vergleicht seine feurige Art gerne mit seinem berühmten Vorgänger im Wahlkreis Waterberg. J.G. Strijdom war 1954 bis 1958 Premierminister von Südafrika, ein Führer der Buren im alten Stil, genannt der „Löwe des Nordens“. P.W. Bothas Nationale Partei, seit vierzig Jahren ununterbrochen im Amt, hat es hier in Waterberg besonders schwer. Die Wunden, die durch die Spaltung der Partei 1982 geschlagen wurden, sind noch lange nicht verheilt. Mit den auf den 6. Mai vorgezogenen Wahlen, versucht Botha dem drohenden Rechtsrutsch der weißen Wähler zuvorzukommen, sollen die Erfolge der CP und der anderen ultrarechten Partei, der Neugegründeten Nationalen Partei (HNP) zunichte gemacht werden. In Waterberg gilt es, den Verräter und Initiator der Parteispaltung, Treurnicht, politisch zu vernichten. Der Bruderkampf ist in vollem Gange. Die Region Waterberg ist zerstritten. Nachbarn, die einander seit Jahrzehnten kennen, sprechen nicht mehr miteinander. NP–Unterstützer kaufen in keinem Geschäft, das einem „CP“ler gehört. Niemand kann sich dem Kampf entziehen. Jeder kennt jeden. Der Löwentöter Genau das will die NP sich zunutze machen. Treurnicht ist ein Fremder, kommt nicht aus der Gegend. Unter dem Motto „Ein Mann aus Waterberg für Waterberg“ hat die NP Johannes Lambrecht als Gegenkandidaten aufgestellt. Er ist ein attraktiver Sechzigjähriger mit schneeweißem Haar, lebt seit 30 Jahren hier, ist bei allen nur als „Onkel Pum“ bekannt, und zudem ein weltberühmter Großwildjäger. Er soll den neuen „Löwen des Nordens“, den Nachfolger Strijdoms, erlegen. „Ich habe schon 19 erschossen“, sagt Pum Lambrecht zuversichtlich. „Diesen Feind zu jagen, wird nicht so schwierig sein. Das schaffe ich.“ Wir sitzen in seinem Tröphäenraum in dem einfachen Farmhaus, 180 Kilometer nordwestlich von Nylstroom. Kein Zweifel, „Onkel Pum“ kennt sein Jägerhandwerk. Ein riesiger Löwe schaut ihm über die Schulter, versteinert in aggressivem Angriffssprung. Büffelköpfe, ein Grizzly–Bär aus Alaska, Äffchen und verschiedene Antilopen zieren die Wände. Nebenan, im Wohnzimmer, stehen überall kleine und große Silberpokale, Preise für Schützen– und Jagdwettbewerbe. Da sind zudem noch Hocker aus Elefantenfüßen, der Sitz mit Zebrafell bezogen und kupferne Aschenbecher, der Sockel ein Straußenfuß. Doch eigentlich ist Onkel Pum kein blutrünstiger Killer, sondern ein ganz liebenswürdiger Mann, kirchenfest, Mitglied verschiede ner Komitees, eine Säule der Gesellschaft. „Pum, das ist die Abkürzung eines Namens, den die Schwarzen mir gegeben haben“, erklärt Lambrecht. „Das heißt soviel wie Starker Mann. Ich kann die Sprache der Schwarzen genauso gut sprechen wie sie selbst.“ Lambrecht bewirtschaftet heute sechs Farmen. Er konzentriert sich auf die Jagdfarmen, die mit Wild vollgestopft sind, das die reichen Trophäenjäger aus aller Welt für hohe Prämien abschießen dürfen. Er ist Millionär, lebt aber bescheiden. Seine Frau, die er gerne im Nacken tätschelt, daß ihr der Kopf wackelt, kocht noch auf einem gußeisernen Holzofen. Auch zu seinem „Rotkopf“ genannten Hund hat er eine innige Beziehung. Die legendäre burische Gastfreundschaft blüht hier noch und beim traditionellen „Braaivleis“ (Barbecue) bereitet Onkel Pum die vorzüglichsten Steaks zu. Zum Essen erzählt er Jagdgeschichten. „Der Grizzly– Bär? Die in Alaska haben gesagt, der sei gefährlich.“ Pum Lambrecht lacht. „Quatsch. Der ist nicht gefährlicher als ein Hund.“ Ein „linker“ Rassist Lambrecht ist ein loyaler NP– Anhänger und das bedeutet in dieser Region, daß er fast ein „Linker“ ist. Schon seit Jahren arbeitet er für die Partei. „Ich habe Treurnicht nach seinem Sieg bei der Wahl 1981 auf meiner rechten Schulter in den Saal getragen“, sagt er etwas wehmütig. „Nun möchte ich auch derjenige sein, der ihn wieder hinausträgt. Ich will dem Staatspräsidenten P.W. Botha sagen können: Herr Präsident, hier ist Waterberg, zurück, wohin es gehört.“ Doch Parteigehorsam ist in diesem Wahlkampf nicht genug. Das merkt man, als Onkel Pum sich in dem Dorf Vaalwater (“Fahlwasser“) 100 Kilometer östlich von seiner Farm den Wählern stellt. „Die Schwarzen haben geholfen, dieses Land zu entwickeln“, beteuert Lambrecht. „Wir müssen miteinander reden. Sie müssen auch Rechte in Südafrika haben.“ Es fällt ihm schwer, die Politik schmackhaft zu machen. Er ist eben Großwildjäger, nicht Politiker. Die professionelle Aufführung des aalglatten Treurnicht ist viel effektiver. Seine Partei bietet den Wählern eine handfeste Richtung. Da kann sich der Wähler hineinsteigern. Da wird mit Leidenschaft geklatscht. Die NP, andererseits, will sich nicht endgültig von der Apartheid abkoppeln, hat keine klaren Alternativen zu bieten. Da gibt es nur vage Versprechen der Verhandlung zur Machtteilung und gleichzeitigen Garantie der „Rechte der Weißen“. So fehlt dem Großwildjäger Johannes „Pum“ Lambrecht nicht nur die Erfahrung in der politischen Wildnis. Er hat nicht einmal die geignete Munition. Unter diesen Umständen wird er den neuen „Löwen des Nordens“ kaum erlegen können.