Hamburger Streit um AKW–Verzicht

■ Hamburger Electricitätswerke diskutieren über atomstromfreie Satzung / SPD–Senat zog Ausstiegsbilanz / Versprochener Kampf mit politischen und juristischen Mitteln gegen die AKWs reichlich unergiebig

Aus Hamburg Florian Marten

Heftige Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen kennzeichneten am Gründonnerstag die Aufsichtsratssitzung der zu 74 Prozent in städtischem Besitz befindlichen Hamburgischen Electricitätswerke (HEW). Anlaß war die vom Hamburger Senat und dem HEW–Aufsichtsratsvorsitzenden Jörg Kuhbier (SPD–Energiesenator) am 23.9.1986 angekündigte Satzungsänderung der HEW. Der zufolge soll die Gesellschaft zur „Begrenzung wirtschaftlicher und ökologischer Risiken“ in Zukunft das Ziel verfolgen, „auf die Kernenergie so zügig wie möglich zu verzichten.“ Vom HEW–Vorstand und den privaten Minderheitsaktionären wird dieser Gummiparagraph heftig bekämpft. Einen Beschluß faßte der Aufsichtsrat am Donnerstag allerdings nicht. Falls am 2. Juli, Tag der nächsten HEW– Hauptversammlung, die SPD noch in Hamburg regiert, soll die besagte Satzungsänderung durchgedrückt werden. Minderheitsaktionäre kündigten an, anschließend gegen einen solchen Beschluß zu klagen. Am 23.9.86 hatte der Hamburger Senat ein „Grobkonzept“ zum Hamburger Ausstieg innerhalb von 10 Jahren vorgelegt, dabei zugegeben, daß auch ein sofortiger Ausstieg ohne größere wirtschaftliche und technische Probleme möglich sei. Hamburg ist mit über 80 Prozent Atomstrom europäischer Atomspitzenreiter, könnte allerdings durch derzeit ungenutzte Gas– und Ölkraftwerke den Atomstromausfall problemlos verkraften. Das Konzept des Hamburger Senats führte in Hamburg bisher allerdings keinen konkreten Schritt weg vom Atom. Zwar wurde jetzt eine dem Nürnberger SPD–Parteitagsbeschluß entsprechende Änderung des Atomgesetzes in den Bundesrat eingebracht, sowie verschiedene Gutachten in Auftrag gegeben, der versprochene Beginn einer Hamburger Energiewende blieb bislang jedoch aus. Im Gegenteil: konventionelle Kraftwerkskapazitäten wurden abgebaut, die Geschäftspolitik der städtischen E– und Gaswerke ist weiter auf Verkaufsmaximierung getrimmt. In Sachen Abschalten ist die Bilanz gleichfalls trübe. Der versprochene Kampf mit „politischen und juristischen Mitteln“ gegen die AKWs endete mit dem Verzicht auf Klagen gegen Brokdorf und Stade sowie den Bitten an Wallmann, die gefährlichen Siedewasserreaktoren Brunsbüttel und Krümmel abzuschalten. Auch Stade ist für Kuhbier ein „Auto, dessen Bremsen kaputt sein können“ - die grüne Forderung nach Klage auf Abschaltung bezeichnet er dagegen als „Wahlkampfgag“. Nur im Konsens mit den „konservativen Parteien“, einer breiten Mehrheit über mehrere Legislaturperioden in Bundesrat und Bundestag für einen Ausstieg, sei der Abschied von der Atomenergie möglich.