Vorsichtige Reaktion Japans auf US–Sanktionen

■ Sonderunterhändler Japans soll in Washington Kompromiß–Positionen ausloten / Beschwerde beim GATT angekündigt / Neues Wirtschaftsprogramm der japanischen Regierungspartei nimmt US–Kritik auf / US–Industrie zufrieden

Tokio (AP/dpa) - Mit der Entsendung eines Sonderbeauftragten nach Washington und einem Programm zur Importsteigerung bemüht sich Japan offenbar darum, die Aufhebung der am Freitag von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen zu erreichen. Wie am Samstag in Tokio bekannt wurde, wird der frühere Außenminister Shintaro Abe am Sonntag nach Washington aufbrechen, um den am 29. April beginnenden Besuch von Ministerpräsident Yasuhiro Nakasone vorzubereiten. Abe bezeichnete die Situation zwischen Japan und den USA als den „schwierigsten Moment seit dem Zweiten Weltkrieg“. Vergeblich hatte der japanische Regierungschef mit einem persönlichen Schreiben versucht, Präsident Reagan zum Einlenken zu bewegen. In Washington wurde darauf hingewiesen, daß der Präsident mit seiner Haltung auch den Kongreß beeindrucken wolle. Die Regierung bemüht sich, die Parlamentarier von einem übermäßig protektionistischem Handelsgesetz abzuhalten. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan hatte am Karfreitag seine Drohung verwirklicht und für japanische Einfuhren vier verschiedene Kategorien Strafzölle von 100 Prozent verhängt. Begründet wurde die Maßnahme mit japanischen Verstößen gegen das Abkommen über Computer chips vom September 1986. Hierin hatte sich Japan verpflichtet, seinen Binnenmarkt für amerikanische Chips, zu öffnen und selbst keine Chips zu Dumpingpreisen in anderen Ländern zu verkaufen. Von den Sanktionen betroffen sind Farbfernseher, Werkzeugmaschinen, Rechner und Anlagen der elektronischen Datenverarbeitung. Die Strafzölle können die Preise für diese Waren verdoppeln. Geräte, die es in den USA nur aus japanischer Fabrikation gibt, bleiben verschont. Damit ist Reagans Aktion bewußt darauf angelegt, amerikanische Verbraucher und Firmen nicht zu verprellen. Amerikanische Industrievertreter zeigten sich über das Vorgehen des Weißen Hauses befriedigt. Die Vereinigung der Elektronik–Produzenten sprach von einem „Schuß vor den Bug“, der Japan hoffentlich bewegen werde, mehr US–Waren zu kaufen. Der Verband der Halbleiter–Industrie sah in den Strafzöllen ein Bemühen, den japanischen Markt zu öffnen. Japan will vorerst offenbar von direkten Vergeltungsmaßnahmen absehen. Wie ein Botschaftssprecher sagte, werde man sich in Genf an das GATT–Büro wenden. Der Verband der japanischen Elektronikindustrie forderte unterdessen die sofortige Rücknahme der Sanktionen und erklärte, die japanische Industrie habe „große Anstrengungen“ unternommen, um sich an das Halbleiter–Abkommen zu halten. Es brauche jedoch noch eine „gewisse Zeit“, bis sich Ergebnisse abzeichnen könnten. Auf die amerikanische Kritik an der japanischen Handelspolitik zielt ein von der regierenden Liberal–Demokratischen Partei vorgelegtes Wirtschaftsprogramm ab. In dessen Mittelpunkt steht nach Angaben der Partei vom Samstag die Förderung von Importen durch japanische Firmen und verstärkte Bestellungen der Regierung im Ausland. Außerdem soll ein Ausgabenplan zur Stadtentwicklung die inländische Nachfrage ankurbeln. geo