Die neueste Attacke der Marcosloyalisten

■ In Manila scheiterte am Wochenende die fünfte Militärrevolte seit Aquinos Machtübernahme / Marcosloyale Offiziere wollten gefangene Kameraden befreien / Stromausfälle in der Hauptstadt sorgen für neue Putschgerüchte / Dilettanten gegen die „gute“ Demokratie

Von Nina Boschmann

Manila/Berlin (taz) - Wenn die Philippinos die Marcosloyalisten nicht hätten, sie müßten sie erfinden, allein schon wegen des hohen Unterhaltungswertes. Ging schon die Besetzung des Manila–Hotels durch Marcos–Vize und rechte Offiziere im vergangenen Juni als Operettenputsch in die Geschichte des Landes ein, so standen die folgenden Komplotte im November und Januar dem nicht nach. Nicht der Kampf um die Macht steht im Vordergrund, sondern die Show. Denn die Anhänger des ehemaligen Diktators sind ein Garant für dilettantische, örtlich begrenzte Rebellionen, die der guten Demokratie stets aufs neue erlauben, sich mit großzügiger Geste gegenüber dem Bösen zu behaupten. Mit einer Mischung aus Kribbeln in der Magengrube und etepetete–igitt nimmt die Öffentlichkeit die Details über das (in der Regel pöbelhafte) Verhalten der Möchtegernputschisten auf (sie pflegen auf den Boden zu pinkeln, die Vorräte zu plündern und alles Wertvolle in ihrer Umgebung unauffällig beiseite zu schaffen). Man amüsiert sich über die weltfremde Imelda Marcos (die z.B. Anfang des Jahres 2.000 Uniformen und Stiefel ordern ließ, um die neuen Machthaber gleich zünftig ausstaffieren zu können). Belächelt wird das einfältige Gemüt der rechtslastigen Kameraden (so sammelte Offizier Oscar Canlas im Januar das nötige Fußvolk für die als strategisch entscheidende Besetzung eines Fernsehsenders mit der Begründung, die Kommunisten stünden vor der Hauptstadt). Psychologen geben obendrein Fernseh–Tips, wie die (Mittelklasse–) Bevölkerung sich bei Putschversuchen verhalten solle: „Wenn feststeht, daß es sich um eine örtlich begrenzte Rebellion handelt, gehen Sie Ihren normalen Geschäften nach und beauftragen sie das Hausmädchen damit, die Nachrichten zu verfolgen“. In einer solchen Kultur, in der alles akzeptabel ist, solange man darüber noch einen halbwegs brauchbaren Witz machen kann, kam am vergangenen Wochenende die neueste (und nach offizieller Zählung fünfte) Militärrevolte in Manila wie gerufen, um die flaue österliche Gerüchteküche zu beleben. Mit einem Dutzend Gleichgesinnter zog am Samstag früh Sergeant Ernesto Librado, ein Mitglied der inzwischen aufgelösten Leibgarde von Ex–Präsident Marcos, gen Fort Bonifacio, einem der zwei großen Militärlager am Stadtrand von Manila, um dort die rund 100 wegen des letzten Umsturzversuches im Januar einsitzenden Kumpane zu befreien. Doch siehe da, nur 25 Gefangene und neun Polizisten wollten sich den Rettern anschliessen, 17 nutzten die Gelegenheit, um sich allein abzusetzen und die ganze Truppe wurde am Ausgang aufgehalten. Die Rebellen nahmen Zivilisten und Offiziere als Geiseln, doch gegen Mittag war die Affaire weitgehend unblutig beendet. Nicht der Rede wert, wenn nicht gleichzeitig in der Hauptstadt und weiten Teilen der Insel Luzon der Strom ausgefallen wäre. Besorgte Einwohner meldeten sich prompt bei Zeitungen und Sendern, weil sie glaubten, Schüsse gehört zu haben. Obschon das staatliche Elektrizitätswerk versicherte, es handele sich um eine technische Panne und auch Generalstabschef Ramos erklärte, für einen großangelegten Putschplan gebe es diesmal keinerlei Hinweise, hatten die über die Feiertage zu Hause gebliebe nen Manilenos ihr Stadtgespräch. So pittoresk diese Art von Coup dem unabhängigen Beobachter erscheint, so ernst ist es den Akteuren selbst mit ihrem Anliegen. Immer noch fühlen sich substanzielle Teile des Militärs um die Früchte der sogenannten Februarrevolution von 1986 betrogen, und sie halten die Geschichte für umkehrbar. Die stark antikommunistisch geprägten Offiziere halten die Politik der Regierung Aquino gegenüber der linken NPA–Guerilla auch nach dem Abbruch der Friedensgespräche noch für zu weich, sie lehnen die in der neuen Verfassung vorgesehene Umstrukturierung der Streitkräfte ab und bemäkeln, daß die staatliche Menschenrechtskommission sich nur um Menschenrechtsverletzungen des Militärs und nicht solche der Guerilla gekümmert habe. Warum, so lautet die Logik, soll Peoples Power nicht auch helfen, das Regime wieder loszuwerden, das sie in den Sattel hob? Die Offiziere, die unter scheinbar aussichtslosen Bedingungen immer wieder militärische Einrichtungen und Fernsehsender besetzen, tun dies zumindest teilweise in der Hoffnung, das Volk werde massenhaft zusammenströmen und sie unterstützen; denn: Begann nicht auch die einst von Generalstabschef Ramos und Verteidigungsminister Enrile angeführte Revolte mit wenigen Truppenteilen, bevor das Volk zu Hunderttausenden die Panzer der Rebellen schützte? Doch vergeblich. Es gibt nur noch rund 5.000 Marcosloyalisten in Manila und keiner der diversen Putschversuche, falls man sie so nennen kann, hat mehr zivile Unterstützer auf die Beine gebracht. Der wahre Sieger der Affairen heißt stets von neuem General Ramos. Der Coup mit human touch ist zu guten Teilen seine Erfindung. Die Teilnehmer des ersten Operettenputsches im vergangenen Jahr erhielten 30 Liegestütze zur Bestrafung, den Besetzern des Fernsehkanals VII im vergangenen Januar wurde eine Messe mit dem Thema „David und Goliath“ gehalten, bevor schluchzende Ehefrauen sie von der Schlechtigkeit ihres Tuns überzeugten. Bislang ist kein rebellierender Loyalist vor ein Kriegsgericht gestellt worden, aber Frau Aquino ist noch im Amt. Was wäre die Rechte, was die Bürgerlichen in Manila ohne das ausgleichende Talent von General Ramos.