Autonome Perspektiven

■ Die Libertären Tage in Frankfurt

Oppositionelle Perspektiven sind, angesichts der Bewußtseinslage der Nation und der real existierenden Kräfteverhältnisse hierzulande, rar. Bisher beschrittene Wege, ehemals konzipierte Ansätze haben vor allem eines gemeinsam: einer politischen Umwälzung haben sie uns kaum näher gebracht. Auf den Libertären Tagen haben jetzt ausgerechnet die Oppositionellen, die auch in linksgrünen Kreisen gerne als „Stahlkugelfraktion“ diffamiert werden, eine radikale Selbstkritik gewagt und versucht, einen alten, verschütteten politischen Handlungsspielraum neu zu erschließen: den Alltag, die Arbeit. Gelingt es, den Abschied von den Ritualen in die politische Praxis zu überführen, kann das, aufgrund der Stagnation der parlamentarischen rot–grünen Opposition, die Position der autonomen und anarchistischen Militanten und damit der außerparlamentarischen Linken insgesamt stärken. Angesichts der von der Koalition angekündigten Zuspitzung der innenpolitischen Auseinandersetzungen in diesem Jahr wäre das ein schwarz–roter Lichtblick. Könnte sich dann noch der als ehemaliger Streetfighter den Autonomen ja wenigstens zu Beginn seiner politischen Biografie einmal nahestehende Ex– Minister Fischer dazu entschließen, eine ähnlich offene Bilanz und Kritik rot–grüner Regierungserfahrungen zu ziehen - Glasnost und Perestroika könnten endgültig auch in den Wortschatz der bundesdeutschen Linken aufgenommen werden; und die herrschenden Konservativen müßten sich vielleicht doch ein paarmal böse auf die Zunge beißen: was ein Brecher... Oliver Tolmein