Gegen die Isolation der Opfer

■ Euthanasiegeschädigte fordern anderes Gesetz zur „Wiedergutmachung“ und Grundrente / Bisher vergeblicher Kampf um Anerkennung als Verfolgte des Nazi–Staates

Aus Frankfurt Reinhard Mohr

Eine Gesetzesänderung der Regelung zur „Wiedergutmachung“ und eine Grundrente in Höhe von 1.500 Mark hat die Vorsitzende des „Bundes der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten“, Klara Nowak, gestern vor der Presse in Frankfurt gefordert. Nach einem vergeblichen „jahrzehntelangen Kampf“ mit dem Bundesfinanzministerium um die Anerkennung der bislang ausgegrenzten Opfergruppe als Verfolgte des nationalsozialistischen Staates hat sie im Februar dieses Jahres den Bund in Detmold gegründet. Dem nationalsozialistischen „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ fielen das Leben von 200.000 Menschen und die körperliche Unversehrtheit von 400.000 Menschen zum Opfer. Dennoch sei es immer noch nicht als eindeutiges Rassegesetz annulliert worden. Heute lebten noch über 80.000 Bundesbürger, die zwischen 1933 und 1945 zwangssterilisiert wurden und dennoch keinerlei Wiedergutmachungsanspruch wie andere Verfolgte des NS–Systems geltend machen können. Noch schlimmer als die materiellen Lebensbedingungen unter der „Sozialhilfe“ sei die Isolation, in der viele der Opfer heute lebten. Die meisten Betroffenen schämten sich ihres „Opferstatus“ und wagten nicht einmal, persönlichen Anspruch auf irgendeine Form von Wiedergutmachung anzumelden. Gesprächskreise in den einzelnen Städten sollen nun dazu beitragen, den Zustand von Angst und Einsamkeit zu überwinden. Professor Klaus Dörner, Leiter des Westfälischen Landeskrankenhauses in Gütersloh, sprach von einem „historischen Augenblick der Solidarität der Opfer“ gegenüber den Tätern, zu denen er auch Berufskollegen zählte. Sie hätten als allererste helfen können, die „fürchterliche Isolation“ der Verstümmelten und Sterilisierten zu durchbrechen. Aber man habe geschwiegen und die Opfer ein zweites Mal diskriminiert. Alle im Bundestag vertretenen Parteien wollen möglicherweise noch vor der Sommerpause eine Anhörung vor dem Gesundheits– und Rechtsausschuß veranstalten, deren Ergebnisse zur Grundlage einer Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes werden könnten.