Gerangel um Größe der Null–Lösung

■ Stellvertretender CDU/CSU–Fraktionsvorsitzender Rühe bei Beratungen mit US–Außenminister Shultz über „Umfang der Null–Lösung“ in Washington / Rühe warnte vor „konventioneller Übermacht des Ostens“

Bonn (dpa/taz) - Zu Konsultationen über den „Umfang der Null–Lösung“ (dpa) mit US–Außenminister Shultz fliegt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU–Fraktion, Volker Rühe, heute nach Washington. In einem Interview mit dem Kölner „Express“ machte er zuvor klar, daß für die bundesdeutschen Sicherheitsinteressen, wie sie die CDU/CSU zumindest sieht, eine Null–Lösung zunächst nur für die weiter reichenden Mittelstreckenraketen (1.000 bis 5.000 km) sinnvoll sei. Eine „weitergehende Null–Lösung“ (dpa), wie sie die Sowjets für die Kategorie von Mittelstreckenraketen von 500 bis 1000 km Reichweite vorgeschlagen haben, würde sich - so Rühe - angesichts der konventionellen Übermacht des Ostens zu einer Sonderbedrohung auswachsen. Rühe kritisierte auch indirekt Außenminister Genscher. Er betonte die Wichtigkeit, in der Bundesrepublik, aber auch im Bündnis nur noch „mit einer Zunge“ zu sprechen und das „greifbar nahe“ Abkommen über die Mittelstreckenwaffen größerer Reichweite nicht zu überbürden. Unterdessen sollen zuständige US–Beamte ihren europäischen Gesprächspartnern fortwährend „die ausreichende Liste von Nuklearkräften“ (dpa) vorhalten, die auch nach dem Abbau beider Mittelstreckenraketen–Kategorien einer sowjetischen konventionellen Übermacht gegenüberstehen und die die nukleare Abschreckungsdoktrin der NATO aufrechterhalten würden. Sogar Richard Perle, unlängst noch als härtester Sowjetgegner des Pentagon bekannt, wunderte sich über die ängstlichen Europäer. In Bonn wird damit gerechnet, daß es noch im April zu einer neuen Sitzung des „kleinen Raketenkabinetts“ (dpa - diesmal in Anführungszeichen) kommen wird, sobald Verteidigungsminister Wörner sich aus Australien und Kohl von seiner Abmagerungskur in Österreich zurückgemeldet haben. Nur Genscher hat mit seinen Warnungen vor einem voreiligen Verzicht auf weiterreichende Lösungen in Bonn die Stellung gehalten. Beschwörend setzt er sich weiterhin für die „historische Chance“ ein, die die sowjetischen Vorschläge bieten. Ihre ablehnende Haltung ließ die US–Regierung am Montag jedoch zu den von Gorbatschow vorgeschlagenen Verhandlungen über eine Null– Lösung für Kurzstrecken durchblicken. Der Sprecher des Außenministeriums Redmann dazu: „Darüber wird zur Zeit nicht diskutiert.“ In Genf wird die Sowjetunion am Donnerstag einen Entwurf für ein Mittelstreckenwaffenabkommen vorlegen. e.u.