Sloweniens Glasnost unter Beschuß

■ Schauprozeß in Zagreb / Häftling hatte über Folter im Gefängnis berichtet / Slowenische KP der „faschistischen Indoktrination“ beschuldigt / Slowenen bestehen auf offenen Dialog

Aus Belgrad H. Hofwiler

Jugoslawiens KP ist gespalten. Dürfen slowenische Medien weiterhin heiße Themen anpacken, wie das Recht auf Wehrdienstverweigerung oder die Freilassung politischer Häftlinge? Oder muß man die Presse dazu anhalten, Tabuthemen fallenzulassen und sich auf kommunistische Hofberichtserstattung zu beschränken ? Diese Frage soll ein Gerichtsverfahren klären, das am Mittwoch in der kroatischen Landeshauptstadt Zagreb begann. Angeklagt ist Dobroslav Paraga, schon einmal Opfer eines politischen Schauprozesses. Ihm wird vorgeworfen, „Falschinformationen verbreitet zu haben“. Darauf stehen mehrere Jahre Gefängnis. Der heute 27jährige hatte 1980 in „studentischem Leichtsinn“ eine Petition auf den Weg gebracht, die die Freilassung aller Gewissensgefangenen in dem Vielvölkerstaat forderte. „Von denen gab es damals wie heute mehr als genug“, erklärte Paraga gegenüber der taz, „Jugoslawien hält da selbst gegenüber einigen osteuropäischen Staaten einen traurigen Rekord“. Daß mit der Wahrheitsfindung vor Gericht nicht gerade sensibel umgesprungen wird, hatte der Theologiestudent am eigenen Leibe bitter erfahren: Seine Anklage ließ „sich nur halten, weil die Öffentlichkeit hinters Licht geführt wurde und es uns Journalisten nicht erlaubt war, kritisch zu berichten“, so der Kommentar von Tomasz Mastnak, Redakteur des Ljubljaner Magazins Mladina. Das Blatt hatte Paraga nach dessen vierjähriger Haft die Möglichkeit gegeben, seinen Fall zur Diskussion zu stellen. Dazu Paraga: „Es war für mich faszinierend, was sich während meiner Haftzeit in Slowenien entwickelte. Ich wollte an der slowenischen Erneuerung mitwirken und das Tabu lüften, wie es in unseren Gefängnissen aussieht.“ In der Kulturzeitschrift Nova Revija brach Paraga das Tabu: „Die Einzelzelle, in die man Gefangene zur Strafe steckte, befindet sich auf Qoli Otok (der Nackteninsel) etwa fünf Meter unter dem Boden. In ihr herrscht Tag und Nacht Finsternis. Die Gefangenen nennen sie den Käfig, weil man keine zwei Schritte machen kann, sondern stehen oder in einer Ecke hocken muß. In so einer Zelle zogen mich die Gefängniswärter völlig aus, ließen mich zehn Tage dort und warteten darauf, ob ich das überleben würde.“ Und: „Der Direktor sagte mir einmal, Entweder du befolgst meine Befehle oder du wirst hier deine Knochen lassen.“ Paraga befindet sich aufgrund dieser Sätze erneut auf der Anklagebank. „Aber mit ihm sitzen wir alle dort, die wir unsere Gesellschaft demokratisieren wollen“, heißt es in Mladina, der wichtigsten politischen Zeitschrift Sloweniens. Das Blatt weiß, daß die Führung der Republik diese Haltung unterstützt. So erklärte das ZK–Mitglied Joze Smole, aufgrund Paragas Veröffentlichung solle die Partei einen Untersuchungsausschuß zur Klärung von Foltervorwürfen einsetzen. Der slowenische KP–Chef Kuncan vertrat die Ansicht, wegen solcher Themen in den Medien seiner Republik existiere im jugoslawischen Gesamtstaat offenbar eine Art „Slowenensyndrom“: Alle diffamierten die dortigen Reformen. Doch man habe sich für den offenen Dialog entschieden, das sollten die anderen Republiken endlich zur Kenntnis nehmen. Dagegen konterte mit bisher unbekannter Schärfe ein Parteiblatt aus Sarajevo mit der Behauptung, die slowenische Parteiführung stachele die Jugend mit „faschistischen Inhalten“ an. Die Tageszeitung Oslobodjene schließlich verteidigte den Ausspruch von Regierungschef Branko Mikulic, er werde „im Notfall das jugoslawische System auch mit der Armee verteidigen“. Mikulic hatte dies dem Spiegel gesagt, was in Slowenien helle Empörung auslöste. Im Verlauf des Prozesses gegen Paraga und durch die Berichterstattung in den jugoslawischen Medien wird sich zeigen, welche ideologische Strömung innerhalb der Partei die Oberhand gewinnen wird: Am 26. April wird das ZK zu einer Plenartagung über ideologische Fragen zusammenkommen.