Unruhe in Argentiniens Militär hält an

■ Kleinere Revolten in zwei Provinzgarnisonen niedergeschlagen / Oberster Gerichtshof berät über Menschenrechtsprozesse / Proteste gegen neuen Generalstabschef des Heeres / Bundespolizei in Alarmzustand / Bericht über Unruhen auch in der Marine

Buenos Aires(dpa/wps/taz) - Nur zwei Tage nachdem Präsident Raul Alfonsin mit Mühe eine Militärrevolte beendet hat, haben am Dienstag kleinere und schnell wieder erstickte Revolten in zwei Provinzgarnisonen gezeigt, daß Unruhe und Spaltung des Offizierskorps weiter andauern. Am Dienstag Mittag rebellier ten Offiziere der mittleren Ränge eines Infanterieregiments, das in der Stadt Tucuman im Norden des Landes stationiert ist. Sie wurden jedoch rasch von einer Nachbareinheit unter dem Kommando eines Obersten zur Raison gebracht. Ihr Protest hatte sich gegen die neueingesetzte Heeresführung gerichtet, genauso wie die Meute rei einer kleinen Einheit von Armeeingenieuren in der Provinzhauptstadt Salta im Nordwesten. Doch als keine andere Einheit ihrem Aufruf folgte, kapitulierten sie gegenüber dem Obersten, der die Garnison von Salta befehligt. Die Armee bezeichnete am Dienstag abend die Situation in allen größeren Garnisonen als „ab solut normal“. Trotzdem befand sich noch Dienstag nacht die Bundespolizei im Alarmzustand. Außerdem kursierten Berichte über ernsthafte Unruhen in der Marine. Ebenfalls Dienstag abend trat der Oberste Gerichtshof zusammen, um über eine Entscheidung zu beraten, die den Fortgang von über 200 Menschenrechtsprozessen beeinflussen könnte. Das Gericht hat zu entscheiden, ob militärisch Untergebene sich darauf berufen können, auf Befehl gehandelt zu haben. Offiziere, die damals als Leutnants und Hauptleute die „Dreckarbeit“ im „schmutzigen Krieg“ der regierenden Militärs gegen die Opposition übernommen hatten, sind heute die unzufriedenen Majore und Oberstleutnants, die sich - in Sorge um ihre Zukunft - an die Spitze der jüngsten Revolten gestellt haben. Obwohl Präsident Alfonsin am Montag den Generalstabschef des Heeres, Rios Erenu, - wie von den Meuterern gefordert - ersetzt hatte, blieb die Unzufriedenheit im Offizierskorps. Denn Alfonsin hatte sämtliche neun Wunschnachfolger der Meuterer in Pension geschickt und stattdessen einen älteren General, Jose Dante Caridi, zum neuen Generalstabschef ernannt. Unklarheit herrscht noch darüber, warum die Meuterer vom Dienstag sich gegen Caridi ausgesprochen haben. Dieser wird nämlich selbst wegen Menschenrechtsvergehen unter der Diktatur vor Gericht stehen. Von ihm war daher eher erwartet worden, daß er im Sinne der Rebellen eine Generalamnestie für alle Militärs befürworten würde. Obwohl die Ablösung von General Rios Erenu zu den Forderungen der Meuterer gehörte hatte, blieb Präsident Alfonsin auch am Dienstag in einem Gespräch mit der militärischen Führung bei seiner Darstellung, er habe bei seinen Verhandlungen mit den etwa 60 Rebellen keinerlei Zusagen gemacht. Sie befanden sich auch am Dienstag noch in militärischem Gewahrsam in Campo de Mayo, wo sie ihre Waffen niedergelegt hatten.