I N T E R V I E W Drei Jahre Denkpause

■ Klaus Zwickel, für Tarifpolitik zuständiges Vorstandsmitglied der IG Metall, zum Tarifkompromiß und seinen Folgen Mit Streik hätte man kein besseres Ergebnis erreichen können / Paragraph 116 nicht ausschlaggebend für Kompromiß

taz: Wie schätzen Sie den Tarifkompromiß in der Metallindustrie ein? Klaus Zwickel: Dieses Ergebnis ist ein Erfolg für die IG Metall. Wir haben mit der weiteren Arbeitszeitverkürzung den erfolgreichen Weg zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen fortgesetzt. Das ist gleichzeitig ein Ausdruck solidarischer Tarifpolitik mit den Arbeitslosen. Gleichzeitig konnten wir erreichen, daß keine Arbeitnehmergruppe bei diesem Tarifbeschluß ausgegrenzt ist. Und wir konnten jene Forderungen der Arbeitgeber abwehren, die auf die Aufhebung aller bisher gesicherten Arbeitszeitstrukturen zielten. Wäre mit Streik ein besseres Ergebnis drin gewesen? Absolut nicht. Ich bin überzugt, daß wir kein besseres Ergebnis erreicht hätten. Ist die IGM vor dem Paragraphen 116 zurückgewichen? Nein. Die Arbeitgeber waren deswegen zu diesem Kompromiß bereit, weil wir glaubwürdig darstellen konnten, daß wir trotz der verschlechterten Bedingungen im Zusammenhang mit dem Paragraphen 116 bereit waren, einen Arbeitskampf zu führen. Fast eine Million Beschäftigte waren im Warnstreik. Dazu kam eine bisher nie dagewesene Solidarität aus dem DGB, aus vielen gesellschaftlichen Gruppen und Parteien. Eine Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem 116 hätte eine brisante politische Dimension erreicht, wenn Hunderttausende auf der Straße stehen, kein Geld bekommen und es damit ein Kampf um die nackte Existenz würde. Das alles hat die Arbeitgeber dazu gebracht zu sagen: An dieser Stelle werden wir die Auseinandersetzung nicht führen. Sie haben sich jetzt drei Jahre festgelegt. Wollen Sie drei Jahre lang keine Tarifpolitik betreiben? Im Gegenteil. Die Zeit, die uns jetzt zur Verfügung steht, müssen wir nutzen. Einige tarifpolitische Fragen müssen wir noch grundsätzlicher als bisher diskutieren. Außerdem müssen wir die Organisation in sich noch schlagkräftiger machen... Mit welchem Ziel? Wir stehen auf der Schwelle in ein neues Jahrhundert. Wie soll diese Industriegesellschaft aussehen? Welche Vorstellungen haben wir dazu? Wir haben jetzt ein Stück mehr Zeit, vielfach nur vorhandene Überschriften auch mit konkreten Inhalten zu füllen. Also eine programmatische Diskussion? Richtig. Interview: Martin Kempe