Walesas Weg

■ In Paris erscheint seine Autobiographie

Paris (taz) - „1970 habe ich einen Streik geführt, schlecht, sehr schlecht. In zehn Jahren habe ich daraus die Lehren gezogen.“ Heute erscheinen in Paris beim Fayard–Verlag die Memoiren des Friedensnobelpreisträgers. Die Aufzeichnungen beginnen mit den Danziger Streiks von 1970, schildern die polnischen Ereignisse aus Sicht des Solidarnosc–Führers bis zur Ausrufung des Notstands im Dezember 1981, berichten von seiner einjährigen Gefangenschaft und seinem Versuch, bis heute nicht das Gesicht zu verlieren. Auch ohne spektakuläre Enthüllungen ist das Buch doch die erste ausführliche Schrift über das „Polen der Solidarnosc“, das Innenleben der Gewerkschaft. „Ich habe mich niemals der Ironie noch der Vertraulichkeit hingegeben,“ schreibt Walesa über seine Gespräche mit Regierungsvertretern, „aber ich hegte auch keine Komplexe gegenüber meinen Gesprächpartnern, wobei ich immer genügend Distanz wahrte, um die Grenze, die uns trennte, nicht zu verbergen.“ Die anschließenden Einladungen zum gemeinsamen Essen lehnte Walesa ab: „Zu diesem Zeitpunkt war ich gleichzeitig ein einfaches Individuum und eine Art Symbol, das der Bewegung folgen mußte, auch wenn es zu ihrem eigenen Schaden war. Ich konnte mich nicht beugen: zu sehr zollte man mir Respekt.“ Unter dem Titel seines Buches „Ein Weg der Hoffnung“ begräbt Walesa einen Teil des Mythos, den seine Person bisher umgab. Er beschreibt seine Schwierigkeiten als Streikführer, wenn er ein Blutbad vermeiden wollte, als Gewerkschaftsführer zwischen der Hoffnung der Streikenden und dem Zwang zur Beschwichtigung. „Niemand“, schreibt Walesa, „hat das ideale Szenario für den Ablauf eines Streiks gefunden. Der Streik, das ist die Menge, die auf ihre Art unterschiedlich und wechselnd reagiert. Wenn ich mich in der Mitte einer Menge befinde, weiß ich immer, was die Leute wollen. Das ist einfach ein instinktiver Sinn.“ Georg Blume