Gen–manipulierte Tiere patentierbar

■ In den USA hat das Patentamt in der vergangenen Woche entschieden, daß auch gentechnisch fabrizierte Tiere Patentschutz erhalten können / Die meisten Bauern werden kaum davon profitieren / Die Entscheidung des Patentamts kann möglicherweise auch auf Gen–Manipulationen beim Menschen ausgeweitet werden

Von Silvia Sanides–Kilian

Washington (taz) - „Mit einem Schlag hat das Patentamt unsere Gesellschaft in eine kommerzialisierte schöne neue Welt versetzt.“ So kritisierte Jeremy Rifkin, einer der führenden amerikanischen Gegner der modernen Gentechnik, die jüngste Entscheidung des US–Patentamts, zukünftig Patente für Tiere zu vergeben, die mit Mitteln der Gentechnik geschaffen wurden. Eine Vertreterin des Industrieverbands „Industrial Biotechnology Association“ nannte die Entscheidung, die in der vergangenen Woche fiel, einen „wichtigen Durchbruch“ und Forscher auf dem Gebiet prophezeiten, nun werde die kommerzielle Entwicklung einer neuen Branche in der Biotechnologie beginnen. Was bisher lediglich für Mikroben und Pflanzen galt, soll in Zukunft auch Tiere einschließen: Wer durch einen künstlichen Eingriff in die genetische Substanz ein neues Lebewesen kreiert, kann es patentieren lassen und ist damit vor geschäftlicher Konkurrenz geschützt. „Bisher“, so Stephen Holtzman von der Biotechnologie–Firma Embryogen, „konnte man zwar den gentechnischen Prozeß, durch den das Tier geschaffen wurde, patentieren lassen, aber nicht das Tier selbst“. Tiere aber vermehren sich und geben ihre genetische Konstellation an ihre Nachkommen weiter. Solange ein gentechnisch produziertes Tier nicht selbst patentiert ist, können Konkurrenten mittels natürlicher Zuchtmethoden aus solchen Nachkommen eine ganze Herde „neuer“ Tiere produzieren und dem „Erfinder“ den kommerziellen Erfolg streitig machen. Bisher hatte die Tier–Biotechnologie deshalb noch nicht den Weg vom Labor und den Versuchsfeldern zum Markt gefunden. Von gentechnischen Experimenten ist das Tierreich trotzdem nicht verschont geblieben, seit es 1980 erstmals gelang, genetisches Material zwischen zwei Säugetieren auszutauschen. Damals wurde ein Hasen–Gen in das genetische Material einer Ratte eingepflanzt. Wenig später gelang es, das Ratten–Gen für Wachstumshormon in die Gene eines Mausembryos zu übertragen. Die so behandelte Maus entwickelte sich zur Supermaus von fast doppelter Größe und produzierte ebensolche Nachkommen. Krankheitsanfällige Schweinezüchtungen 1984 machte das amerikanische Landwirtschaftsministerium Schlagzeilen, als bekannt wurde, daß es Versuche mit Schafen und Schweinen durchführte, in die das Gen für menschliches Wachstumshormon eingesetzt wurde. Die Tiere wuchsen schneller, ihr Fleisch war magerer, und sie gaben das fremde Gen an ihre Nachkommen weiter. Allerdings entpuppten sich diese Neuschöpfungen als extrem krankheitsanfällig, weshalb zu den amerikanischen Gegnern der Gentechnologie seither auch zahlreiche Tierschutzorganisationen gehören. So verurteilte Michael Fox, Tierarzt und Vorsitzender der „Humane Society“, die neue Entscheidung des Patentamtes: „Der gesamte kreative Prozeß in den höheren Lebensformen wird umorientiert und kontrolliert, um lediglich menschliche Bedürf nisse zu erfüllen. Wir spielen nicht nur Gott, wir stellen uns über Gott“. Neben Nutztieren, die mehr oder besser vermarktbares Fleisch oder Milch produzieren, hoffen die Gentechniker vor allem Tiere zu schaffen, die resistent gegen verschiedene Krankheiten sind. Auch die Pharmaindustrie hat Interesse an tierischen Neuschöpfungen: Versuchstiere sollen fabriziert werden, die für menschliche Krankheiten anfällig sind, so daß Medikamente an ihnen getestet werden können. Gäbe es zum Beispiel Ratten, die AIDS– krank sind, wäre das Testen eines AIDS–Medikaments sehr viel billiger. Natürlicherweise erkranken nur Schimpansen und Menschen an AIDS. Der Schritt des Patentamts, in Zukunft Patente für neue Tiere zu vergeben, basiert auf einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 1980. Damals war ein Wissenschaftler, dem es gelungen war, ein Rohöl– vertilgendes Bakterium zu fabrizieren, vor das Gericht gezogen, weil das Patentamt sich geweigert hatte, sein Bakterium zu patentieren. Lebewesen seien nicht patentierbar, hatte das Patentamt entschieden, doch der Gerichtshof befahl anders: „Das Patentgesetz schließt alles unter der Sonne ein, was von Menschen gemacht wird“. Als Kritiker der Gentechnik in der vorigen Woche fragten, ob denn die neue Technologie zumindest beim Menschen haltmachen werde, oder letztendlich auch der Mensch patentierbar sei, antwortete Charles van Horn, im Patentamt für organische Chemie und Biotechnologie zuständig, in der New York Times: „Unsere Entscheidung lautet, daß höhere Lebensformen patentierbar sind, und dies könnte auf Menschen extrapoliert werden“. Die jetzige Entscheidung schließe die Patentierung neuer Eigenschaften beim Menschen zwar explizit aus, doch könne sie in Zukunft erweitert werden, um gentechnische Veränderungen am Menschen kommerziell zu schützen. Für die meisten Bauern zu teuer Mit Sorge beobachten auch Landwirtschaftsexperten das Fallen einer weiteren Barriere für die Biotechnologie–Industrie. Fleisch– und Milchberge häufen sich in den USA, und dem Steuerzahler kommt die Überproduktion teuer zu stehen: sinkende Preise werden mit Subventionen aufgefangen. Trotzdem befinden sich Amerikas Bauern seit einigen Jahren in einer Misere, vergleichbar der Weltwirtschaftskrise. Die Produkte der Gentechnologie aber werden teuer sein, ob es nun krankheitsresistente Samensorten sind oder Nutzpflanzen, die das Gen für die eigene Düngung eingebaut haben, krankheitsresistente Schafe oder Schweine, die ein besonders mageres Kotelett liefern. „Es sind aber diese Produktionskosten, die den Bauern zu schaffen machen“, erklärte William Marshall, Berater des US– Landwirtschaftsministeriums, in einer Kongreßanhörung zu Biotechnologie und Landwirtschaft im vorigen Jahr. „Seit Präsident Lincoln haben wir uns immer nur für Ertragssteigerung interessiert, aber wir müssen unsere Kosten senken“, wenn der kleine Landwirt überleben soll.