Bayerns AIDS–Politik schürt die Angst

■ Mitarbeiter bayerischer AIDS–Beratungsstellen veranstalten AIDS–Hearing vor dem offiziellen Hearing der CSU–Landtagsfraktion / Vertrauen in Behörden durch AIDS–Maßnahmenkatalog zerstört / Drogenabhängige Infizierte werden in Knästen isoliert

Aus München Luitgard Koch

München (taz) - Zwei Tage vor dem heute beginnenden offiziellen AIDS–Hearing der CSU– Landtagsfraktion in München führte die „Arbeitsgemeinschaft AIDS“, zu der sich Mitarbeiter aus AIDS–Beratungsstellen und Ambulanzen vor kurzem in München zusammengeschlossen haben, ein sogenanntes „AIDS–Vorhearing“ durch. „Wir befürchten, daß die alltäglichen Erfahrungen in der Begegnung und Beratung von AIDS– Kranken, Infizierten und Gefährdeten bei dem Landtags–Hearing eine Nebenrolle spielen“, begrün deten die Veranstalter die Initiierung des Hearings. Sämtliche Landtagsabgeordnete sowie Münchner Stadträte waren zu dem Vorhearing, das unter dem Motto „Für eine humane AIDS–Politik“ stand, eingeladen. Doch aus dem bayerichen Landtag waren nur die beiden grünen Abgeordneten Margarete Bause und Raimund Kamm sowie der Nürnberger SPD–Abgeordnete Rolf Langenberger erschienen, um sich die Kritik „von unten“ an den geplanten bayerischen Zwangsmaßnahmen zur Bekämpfung von AIDS anzuhören. „Stellen Sie sich auf die Matte bei den CSU– Büros, das ist noch die einzige Chance, denen den Rücken zu stärken, die innerhalb der Fraktion noch guten Willens sind“, forderte Langenberger die Arbeitsgemeinschaft auf. „Hoffnungslos“, kommentierte Guido Vael von der Münchener AIDS–Hilfe diesen Tip. Bereits am Telefon werde er immer wieder „abgewimmelt“. Einheitlich berichteten alle Anwesenden von den negativen Auswirkungen, die der vom Ministerrat beschlossene Maßnahmenkatalog auf ihre Arbeit hat. „Selbst wenn wider Erwarten die Maßnahmen nicht umgesetzt werden, werden wir sehr lange brauchen, um das Vertrauen in Staat und Behörden wieder herzustellen“, so Vael. Aus Angst vor Registrierung verzichten bereits viele AIDS–Infizierte, die Anspruch auf Sozialhilfe hätten, darauf, ihren Antrag zu stellen. „HIV–positive Drogenabhängige werden bereits separiert und in Einzelzellen gesteckt“, berichtete Ulrich Rohde von der Münchener Drogenberatungsstelle „Con Drops“, der in der JVA Stadelheim Drogenabhängige betreut. Er befürchtet, daß diese Gruppe als erste ausgegrenzt werden soll. Die Frage einer anschließenden Therapie werde durch solche Zwangsmaßnahmen bei den Gefangenen zweitrangig, übrig bleibe nur noch Verzweiflung. Bislang lehnen die bayerischen Anstaltsärzte einen Zwangstest ab. Die Stadelheimer Anstaltsärztin Dr. Lange betonte, sie werde den Zwangstest auch nach ministerieller Anordnung nicht durchführen. Der Münchner Anwalt Andreas Grob wies nochmals auf die Rechtswidrigkeit der geplanten Maßnahmen hin. Da das CSU–Hearing im Landtag faktisch nicht öffentlich ist - nur eine begrenzte Zahl von Journalisten ist zugelassen - findet zur Information der Bürgerinnen und Bürger heute abend um 19 Uhr im Münchner Panta–Hotel ein öffentliches Hearing statt.