Kohl–Regierung rüstet zum Abwarten

■ Nach der gestrigen „Raketenrunde“ Bonner Spitzenpolitiker bleibt die Haltung der Regierung zu den Genfer Abrüstungsverhandlungen weiter offen / Der Vertragsentwurf der UdSSR, auf den die Regierung wartet, soll heute in den Details in Genf vorgestellt werden

Aus Bonn Matthias Geis

Die Bundesregierung ist offensichtlich nicht in der Lage, die unterschiedlichen Auffassungen in der Frage der Raketenabrüstung auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Auch nach einem dreistündigen Spitzengespräch, das gestern unter Leitung des Kanzlers stattfand, bleibt weiterhin offen, ob die Bundesregierung neben der Verschrottung der Raketen zwischen 1.000–5.000 Kilometern Reichweite auch eine Null– Lösung bei den Mittelstreckenraketen kürzerer Reichweite (500–1.000 Km) befürwortet oder ablehnt. An dem Gespräch nahmen neben dem Kanzler Außenminister Genscher, Verteidigungsminister Wörner, Innenminister Zimmermann sowie Kanzleramtsminister Schäuble teil. Während Wörner und Teile der Union Bedenken gegen die sogenannte „doppelte Null–Lösung“ äußern, gilt Genscher als deren Befürworter. Der Entscheidungsdruck der Bundesregierung wird durch das positive Votum von US– Außenminister Shultz noch vergrößert, der ebenfalls für die „doppelte Null–Lösung“ eintritt. Als Ergebnis der „Raketenrunde“ stellte Regierungssprecher Ost fest, in der Frage des Abbaus von Mittelstreckenraketen kürzerer Reichweite wolle die Bundesregierung abwarten, bis ein endgültig formulierter Vertragsentwurf von seiten der UdSSR auf dem Tisch liege. Diesen Vertragsentwurf hat die UdSSR gestern vorgelegt. Einzelheiten sollen heute bekannt gegeben werden. Die Bundesregierung werde dann eine Stellungnahme in das Bündnis einbringen. Die NATO–Marschrute werde Anfang Mai festgelegt. Ost bestritt, daß es innerhalb der Regierung Meinungsunterschiede über eine erweiterte Null– Lösung gebe; wenn dieser Eindruck entstanden sei, so sei dies auf das „Osterloch“ sowie Überinterpretationen von seiten der Presse zurückzuführen.