Waldheim ist in den USA ein unerwünschter Ausländer

■ Österreichische Regierung ist entsetzt / Die USA setzen den Präsidenten wegen Nazi–Verbrechen auf die „watch list“ / Waldheim: Ich habe ein „gutes Gewissen“

Bonn/Washington (taz) - In Österreich hat am Dienstag das am Vortag verhängte amerikanische Einreiseverbot für Bundes präsident Kurt Waldheim als Privatmann zu verbalen Angriffen gegen die USA geführt. Nach einer dreistündigen Kabinettsit zung hieß es in einer von Bundeskanzler Vranitzki bekanntgegebenen Regierungserklärung, das vom US–Justizministerium angewendete Verfahren, Waldheim praktisch zur unerwünschten Person zu erklären, sei „für Am Montag hatte US–Justizminister Meese mitgeteilt, daß Waldheim wegen seiner Vergangenheit als Wehrmachtsoffizier auf die Liste für unerwünschte Ausländer gesetzt worden sei. Nach Angaben der New York Times hat das amerikanische Justizministerium zusätzliches Material gegen Waldheim gefunden. Unter anderem gehe daraus hervor, daß Waldheim bei der Deportation von 484 bosnischen Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Norwegen eine Rolle gespielt habe. Während Waldheim selbst noch am Montag abend die Entscheidung „tief bedauert“ und auf sein nach wie vor „gutes Gewissen“ verwiesen hatte, begrüßten die jüdischen Organisationen in den USA die Entscheidung. Eine Gruppe österreichischer Intellektueller forderte Waldheim zum Rücktritt auf (Wortlaut auf Seite 6). In der BRD herrschte in allen politischen Lagern Schweigen zu der amerikanischen Entscheidung. Es handele sich schließlich um eine auswärtige Angelegenheit, war die einmütige Reaktion. Ungewöhnlich zumindest, wenn man bedenkt, daß es sich um ein Kapitel gemeinsamer Geschichte handelt. Im Bundespresseamt hieß es, man wolle keine Stellungnahme abgeben. Aus dem Auswärtigen Amt kam kein Kommentar, lediglich die Bemerkung: Durch die Entscheidung sei kein Handlungsbedarf für die Bundesregierung entstanden. Auf die Frage, ob denn Waldheim in die BRD reisen dürfe, kam der Hinweis, daß ein entsprechendes Gesetz zu dem in den USA nicht existiere. Fortsetzung S. 6 Gastkommentar von Elfriede Jelinek auf S. 4 Das Gesetz, unter dem Kurt Waldheim die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigert wurde, schließt alle Personen aus, die „Verfolgungen von Personen aus Gründen der Rasse, Religion, Abstammung oder ihrer politischen Meinung angeordnet, eingeleitet, unterstützt oder die daran teilgenommen haben“. In der mehr als einjährigen Untersuchung des US–Justizministeriums waren mehrere entsprechende Vorwürfe gegen Waldheim überprüft worden. Er habe Zivilpersonen an die SS überstellt, damit diese als Zwangsarbeiter eingesetzt werden konnten; er habe an Massendeportationen von Zivilisten in Griechenland, in Jugoslawien, in Konzentrations– und Vernichtungslagern teilgenommen; er habe sich antisemitischer Propaganda bedient und an Hinrichtungen aus Motiven der Vergeltung von Geiseln und anderen Zivilpersonen teilgenommen. Waldheim ist wegen dieser Vorwürfe, die das US–Justizministerium für erwiesen hält, auf die sogenannte „Watch List“ gesetzt worden, eine Auflistung von mehr als 40.000 Personen, denen die Einreise von den US–Einwanderungsbehörden verweigert würde. Er wurde außerdem in die Liste der Personen aufgenom men, denen sogar von vorneherein kein Visum erteilt würde. Falls Waldheim allerdings in offizieller Funktion in die USA einreisen wolle - etwa um an der UNO– Vollversammlung teilzunehmen - könne ihm ein zeitlich begrenztes Visum erteilt werden. Die „Watch List“ enthalte im übrigen nur „eine Handvoll“ von Kriegsverbrechern, so ein Sprecher der US–Einwanderungsbehörde, die überwiegende Mehrzahl besteht aus „Kriminellen, bekannten Terroristen, Kommunisten oder Menschen, die aus den Vereinigten Staaten abgeschoben“ wurden. Was bei der Entscheidung jedoch mitschwingt, ist erhebliches Unverständnis über die Tatsache, daß Waldheim von den Österreichern zum Staatspräsidenten gewählt werden konnte, obwohl die Fakten über ihn bekannt waren. Die Washington Post kommentiert denn auch am Dienstag, dies sage etwas „unendlich Bedauernswertes“ über die Österreicher aus. Jüdische Organisationen in den USA drückten ihre Befriedigung darüber aus, daß ihre Bemühungen, die Fakten über Waldheim öffentlich zu machen, endlich den erwünschten Erfolg hatten. Ein Sprecher des „Jüdischen Weltkongresses“ sagte, nun habe man ein klares Zeichen gesetzt, daß Nazis in den USA nicht willkommen seien. Dieses Zeichen gewinnt noch zusätzliche Bedeutung durch den Zeitpunkt der Entscheidung. Eine Woche nach der Auslieferung Karl Linnas an die UdSSR und im Umfeld der Gedenkfeiern an den Holocaust in diesen Tagen konnte es nicht deutlicher sein. Die israelische Justiz verfügt auch über genügend Unterlagen zur Vergangenheit Waldheims, um im Falle eines Besuches in Israel Ermittlungen gegen ihn aufzunehmen. Dies erklärte am Dienstag ein Sprecher des israelischen Justizministeriums der französischen Nachrichtenagentur afp. „Unsere Dokumente sind in etwa gleich mit denen, die die USA am Montag dazu veranlaßt haben, Waldheim das Betreten des amerikanischen Territoriums so gut wie zu untersagen.“