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Zinsschneiderei beschnitten

■ Die „Wertstellungspraxis“ der Banken, das unterschiedliche Datieren eingehender und ausgehender Gelder, wurde vom Heidelberger Landgericht für illegal erklärt / Es geht hierbei um 2,1 Milliarden Mark jährlich

Aus Heidelberg Rolf Gramm

Ein gestern gefälltes Urteil des Landgerichts Heidelberg wird die Zinsschinderei der deutschen Banken beträchtlich einschränken und sie um eine Menge Geld bringen, wenn es rechtskräftig wird. In einem Musterprozeß, den die baden–württembergische Verbraucherzentrale gegen die Heidelberger Bezirkssparkasse angestrengt hatte, untersagte das Gericht der Bank die weitere Verwendung der Klausel „Wertstellungen: Einzahlungen ein Tag nach Einzahlung“. Mit dieser Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen begründeten die Banken ihre Praxis, bei Auszahlungen die Konten der Kunden sofort zu belasten, Bareinzahlungen aber erst später gutzuschreiben. Die Klausel, so argumentierten die Richter in dem 41 Seiten umfassenden Urteilstext, treffe „eine von den Rechtsvorschriften des Darlehensrechts abweichende Regelung, die den Bankkunden unangemessen benachteiligt“. Es sei nicht hinzunehmen, daß die Bank bei eingehenden Geldern einen anderen Zeitpunkt für die Wertstellung (zinsmäßige Berücksichtigung) bestimme als bei ausgehenden Geldern. Unabhängig hiervon sei die Vorschrift „auch unwirksam, weil sie unklar und überraschend den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt“. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte das Gericht ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten an. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Nach Angaben des Pressereferenten am Landgericht Heidelberg wird es „voraussichtlich der Überprüfung durch den Bundesgerichtshof unterstellt werden“. Anlaß für die baden–württembergische Verbraucherzentrale, diesen Musterprozeß zu führen, war der Fall eines Bankkunden, der an einem Freitag Geld von seinem Konto überweisen wollte. Da sein Girokonto den fraglichen Betrag nicht mehr aufwies, zahlte er am Freitagmorgen 580 DM auf das Konto ein und übergab anschließend der Bank einen Überweisungsauftrag über 576,84 DM. Diese Überweisung, so die Verbraucherzentrale, sei am selben Tag auf dem Konto verbucht worden, die Einzahlung dagegen erst am folgenden Montag. Obwohl die Bank den betreffenden Betrag also in bar zur Verfügung hatte, habe der Betroffene auf diese Weise drei Tage lang Sollzinsen bezahlen müssen. Die Bank fingiere so einen Kredit, den es gar nicht gebe. Die Größenordnung, um die es bei dieser scheinbar kleinen Unstimmigkeit geht, bezifferte die Zeitschrift DM im Dezember nach einer Untersuchung des Instituts für angewandte Verbraucherforschung so: „Jährlich werden ... fast sechs Milliarden Buchungen unbar beglichen. Dabei wechseln 15,5 Billionen DM den Eigentümer. 55 Prozent davon sind Überweisungen, also 8,5 Billionen DM.“ Bei einem Jahreszins von drei Prozent und einer Überweisungslaufzeit von durchschnittlich drei Tagen ergäben sich so 2,1 Milliarden DM, die die Bundesbürger den Banken, Sparkassen und der Post unfreiwillig „schenken“. Das sei ein Zehntel dessen, was sie jährlich an Zinsen aus Sparkonten einnehmen. Wie Siegfried Bluth als Sprecher der Verbraucherzentrale gestern erklärte, liegen die Einnahmen der Banken aus dieser Wertstellungspraxis auch beträchtlich über dem, was sie sich aus Kontoführungsgebühren gutschreiben. Auch wenn das Urteil in dem konkreten Fall nur ein Segment dieser Wertstellungspraxis betreffe, sei jetzt der Bundesverband der Banken gefordert, aus diesem Musterverfahren allgemeine Konsequenzen zu ziehen. Zu der Drohung der Banken im Vorfeld des Verfahrens, daß sie im Falle einer Niederlage gezwungen seien, die Kontoführungsgebühren zu erhöhen, erklärte er: „Selbst das wäre ein Schritt zu mehr Transparenz im Bankenbereich, aber diese höheren Gebühren müssen sie ja auch erst mal durchsetzen“.

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