Kein Eintritt im Sexshop des Ministers

■ Mit einer „Ausstellung des Schreckens“ will Innenminister Pasqua Frankreich vor Pornographie bewahren / Doch der mündige Bürger bleibt draußen / Nur der taz–Reporter durfte hineinlugen

Aus Paris Georg Blume

Die „Ausstellung des Schreckens“ ist in Paris nur vier Tage lang zu sehen, und schon heute ist ihr letzter Tag. Innenminister Charles Pasqua gab ihr den Namen, und seine Mitarbeiter zeichneten für Konzeption und künstlerische Gestaltung verantwortlich. Der Ort der Darbietung - nahe dem Triumphbogen - ist sorgfältig gewählt: in der ersten Etage eines hier unauffälligen großbürgerlichen Hauses hinter seidenen Gardinen. Der Teppichboden ist wertvoll. Drei Polizeikontrollen muß ich über mich ergehen lassen, dann ist es endlich soweit: Umsonst trete ich ein in den Sexshop von Charles Pasqua. Ein Sexshop ist es wirklich: Mit einem Blick habe ich die einschlägigen Blätter und Bilder erfaßt, über die sich gutgekleidete Herren mit Krawatte beugen. Selbstverständlich dürfen hier nicht alle über 18 rein. Nur Politiker, Vorsitzende von Familienvereinen und Journalisten haben Zutritt. Pasqua weiß, wer hart genug ist, die „Ausstellung des Schreckens“ zu ertragen. Doch welche Überraschung: Bereits im ersten Ausstellungsraum wird gelacht - einige Beamte des Ministeriums sind gekommen, um sich offenbar daran zu belustigen, was ihr Chef zu bieten hat, oder vielmehr verbieten will. Denn diese Ausstellung ist nichts anderes als die Plakatierung der Zensur. Vor etwa einem Monat nämlich besann sich Charles Pasqua auf seine Moral und ein in Vergessenheit geratenes Gesetz von 1949, das ihm erlaubt, Publikationen, die „aufgrund ihres unsittlichen oder pornopraphischen Charakters eine Gefahr für die Jugend darstellen“, zu verbieten. Das Innenministerium holte zum großen Schlag aus: Fünf Sexblätter wurden sofort verboten, fünf weiteren Zeitschriften, darunter die führende Schwulenzeitung „Gai– Pied“, wurde ein Verbot angedroht. Doch so einfach kam Pasqua nicht davon. Die liberale Presse schrie auf und sprach von Zensur. Kulturminister Leotard kritisierte seinen Kollegen öffentlich, und Chef Chirac beließ es beim vielsagenden Schweigen. Das Innenministerium, das sich danach vor weiteren Verboten hütete, geriet unter Rechtfertigungszwang und erinnerte sich in dieser Lage offenbar an die eigenen darstellerischen Fähigkeiten. „Unsere Ausstellung hat das Ziel, die Jugend zu schützen, zu informieren und die Wahrheit wiederherzustellen“, erklärt mir Pasquas Sexshopleiter, der mit den Augen immer zu Boden schaut. In Glaskasten hat man die Zeitungen gepackt, vom braven Photomagazin über den Sex–Comic bis zu den harten Underground–Pornos. Die Augenwischerei ist offensichtlich: Letztere sind längst für den offenen Straßenverkauf verboten. Der Canard Enchaine fand sogar heraus, daß diese Hefte extra für die Ausstellung in Skandinavien erstanden wurden. In der Tat ist der Sexshopleiter vom Presseecho der Ausstellung sehr enttäuscht. „Man stellt sich den Mann im Innenministerium vor, der dies alles ausgewählt hat“, schrieb der sonst so Pasqua–freundliche Figaro. Nur die lachenden Beamten aus dem Innenministerium lassen sich nicht beirren: „Wir stehen voll auf der Linie unseres Hauses. Gott sei Dank sehen wir dies alles mit den Augen von Erwachsenen.“ Natürlich erfüllt Pasqua mit seiner Ausstellung einmal mehr seine ständige Aufgabe in der Regierung: die Verführung des rechtsradikalen Wählerpotentials von Jean– Marie Le Pen hin zu Chirac. Doch finden seine Vorstellungen von einer Wende der französischen Sexualmoral offenbar nur hinter jenen vornehmen Gardinen in einer quasi–geheimen Ausstellung Platz. Noch ist mir der Franzose nicht begegnet, den die „Ausstellung des Schreckens“ in Schrecken versetzt hat.