Resignation vor Grüner Bundesversammlung

■ Grüne stehen am Wochenende in Duisburg vor der notwendigen Diskussion ihrer strukturellen Krise / Parteifunktionäre können zum Teil nicht mehr miteinander reden / Heimlicher Hit wird der Streit zwischen Feministinnen und Autorinnen des Müttermanifests

Von Max Thomas Mehr

Berlin (taz) - Neben dem heimlichen Hit, dem Streit zwischen Feministinnen und den Autorinnen des „Müttermanifestes“, wird es auf dem Bundesparteitag der Grünen am Wochenende in Duisburg vor allem auch um Personalfragen gehen. Ein neues Sprechergremium des Parteivorstands steht zur Wahl. Lukas Beckmann kandidiert nicht mehr, und Rainer Trampert muß turnusgemäß ausscheiden. Einzig Jutta Ditfurth wird sich wieder zur Wahl stellen. Bei der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten im Vorfeld der Bundesversammlung tritt ein Dilemma der Partei zu Tage, das einer strukturellen Krise gleichkommt. Während die Wahlprozente für die Grünen steigen, hat keiner mehr so richtig Lust auf grüne Politik - zumindest Parteipolitik. Jedenfalls sind es einzig die gremiengeübten Ökosozialisten, die erfolgversprechende Kandidatinnen und Kandidaten ins Rennen um die Vorstandssprecher–Wahl schicken werden. Vor einer Woche war noch eine der Autorinnen des Müttermanifests, die Münchener Soziologin Gisela Erler, im Gespräch. Inzwischen hat sie ihre Kandidatur jedoch zurückgezogen. Damit steht ein durch und durch einseitig besetztes Sprechergremium bei den Grünen ins Haus. Dabei wäre eine inhaltliche und personelle Erneuerung der Partei dringend notwendig, die die sich gegenseitig blockierenden Flügelkämpfe einstellt. So sind die Erwartungen vor der Duisburger Versammlung mehr als gedämpft: „Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich den Parteitag bereits abgeschrieben“, erklärt Christa Nickels. Sie ist zwar keineswegs resigniert, aber wenn sie an den Zustand der Parteispitze denkt, erkennt sie trotz Rotationen seit langer Zeit in der eigenen Partei einen bestimmten dominierenden Typ von Berufspolitikern, obwohl es auch jede Menge „Quer– Rotationen“ gegeben hat. Bitter konstatiert sie: „Bei uns muß man doch noch mehr Funktionär sein als bei anderen Parteien“. Politik werde in der Partei von Leuten gesteuert, „die dem Prinzip der Allgegenwart frönen können“. Im Bundesvorstand sei überhaupt keine Bereitschaft mehr vorhanden, miteinander zu reden. Der Eindruck, den der Bundesvorstand von der Partei vermittele, stehe im Widerspruch zur Situation der Parteibasis, die sehr wohl noch miteinander reden könne. Allerdings sei Zivilcourage in der Partei wenig ausgeprägt. So fallen Parteimitglieder und Mandatsträger regelrecht um, wenn sie „ihren Strömungshengst“ mal aus den Augen verloren haben. „Die werden regelrecht exkommuniziert“. Dies korrespondiert mit Eindrücken und Zustandsbeschreibungen, die auch andere grüne Politiker aus dem sogenannten „Mittelblock“ abgeben. Willi Hoss ge steht offen: „Ich habe keine Lust auf den Parteitag“. Die „obere Etage der Partei“ vermittele ein „deprimierendes Bild“. Die Art und Weise, wie Trampert Lukas Beckmann diffamiert habe (als Möllemann der Grünen), sei kein zufälliger Umgang zwischen zwei Personen. Hoss glaubt, daß die Krise von denen ausgeht, die von der Linken herkommen. Und er meint damit die Ökosozialisten genauso wie die Realos. So habe auch Joschka Fischer immer wieder betont, er sei in erster Linie ein Linker. Seiner Einschätzung nach blockieren sich diese Linken gegenseitig, „weil sie ihre linksdogmatischen Eierschalen noch nicht abgeworfen haben“. Die Grünen müßten jetzt einen „großen Dialog“ eröffnen, sich von der „totalen Fixierung auf die SPD“ lösen. „Es macht keinen Sinn, sich innerhalb des Spektrums, über das SPD und Grüne verfügen, gegenseitig den Rang abzulaufen“. Hoss hält es für höchste Zeit, „den Dialog mit den Wertkonservativen genauso aufzunehmen wie bisher mit der SPD“. Sollte beim Parteitag in Duisburg und bei der Wahl des Vorstands eine Konstellation festgeschrieben werden, die sich weiterhin gegenseitig blockiere „und im alten Denken befangen bleibt“, dann ist der Bundestagsabgeordnete dafür, „eine Kulturrevolution bei den Grünen zu machen“. Udo Knapp, Mitarbeiter bei Fraktionssprecherin Waltraud Schoppe, sieht das Verhältnis von grüner Basis zur Parteispitze noch krasser: Die Parteibasis entwickele „zu den grünen Funktionären ein ähnliches Verhältnis wie der Normalbürger zu seinen Regierenden“. Er sieht mittlerweile zwei Parteien, „die sich unversöhnlich gegenüberstehen“. Sie repräsentierten auf der organisatorischen Ebene auch den Gegensatz zwischen Fundis und Realos. (Siehe auch Seite 9)