: Problem Craxi?
■ Die italienische Publizistin Rossana Rossanda über Craxi als einzigen ernst zu nehmenden Gegner der DC
Ob Bettino Craxi sympathisch ist oder nicht, ist eine der wenigen Fragen, die man sich gerade nicht stellen darf, wenn man sich links von ihm fühlt. Dennoch bestimmt gerade diese Frage allenthalben die Kommentare: daß Craxi autoritär ist, präfaschistisch, daß er sich eine Partei eigens zu seinem „Kult“ geschaffen hat, daß er die Massenmedien auf denkbar brutalste Weise benutzt. Daß sein Programm nun auch noch den letzten Rest klassenkämpferischer Akzente verloren hat, daß die Ideen der Solidarität, der Arbeiterinteressen, der „Bewegung“ futsch sind: schließlich hat gerade er das Referendum gegen die automatische Lohnanpassung durchgefochten. Meist erfühlt man aus alledem allerdings weniger die Nostalgie sozialistischer Vergangenheit als ein glattes: besser noch die Christdemokraten als dieser Craxi. Denn die sind weniger gefährlich, weniger ehrgeizig, weniger machthungrig, im Grunde „volksnäher“. Craxi hingegen hält keinerlei Pakte ein, nicht einmal die „klassischen“ - wenn er in der Mitte oder rechts nicht durchkommt, geht er links vorbei... Im Grunde nutzt Craxi nur seine elf Prozent im vollen Bewußtsein seiner Unersetzbarkeit in der Regierung, und so entwickelt er eben auch eine unverhältnismäßige Arroganz. Schwer, solchen Urteilen zu widersprechen. Sie sind berechtigt - nur haben sie meiner Meinung nach nahezu keinerlei Bedeutung gegenüber zwei Grundfragen dieser Jahre. Die erste: „Diese“ Sozialistische Partei ist bisher die einzige Partei, die die DC wirklich in Schwierigkeiten gebracht hat - Craxi hat erstmals die Karten neu verteilt. Das Diktat „Ich diskutiere meine Politik mit niemandem“, von Craxi eher nach Pokerart eingebracht, hat funktioniert. Wie problematisch Craxi auch immer sein mag: für uns handelt es sich vor allem darum, die Grundfesten einer nun seit vierzig Jahren ununterbrochenen DC–Herrschaft zu erschüttern. Flößt uns Craxis Autoritarismus wirklich mehr Furcht ein als diese aufs Ewige berechnete „populistische“ DC–Herrschaft? Jede Erschütterung der christdemokratischen Vormachtstellung macht unser System transparenter. Das zweite Moment, das man „links“ von Craxi hervorheben muß: Die Erschütterung der DC– Herrschaft kommt nicht aus einer alternativen Koalition, sondern ausgerechnet aus dem Rahmen der bisherigen Allianz, dem Fünfparteienpakt. Der PSI stellte sich nicht im Namen einer Alternative gegen die DC, sondern im Kampf um eine neue Führerschaft - und zwar im Rahmen des Unternehmertums und der staatlichen Strukturen. Zutage kommt also ein „Gegensatz innerhalb der Bourgeoisie“, wie das früher hieß, und der PSI macht auch keinerlei Anstrengungen, das zu verbergen. Die Frage ist, warum es nicht die Linke ist, die die DC ausschaltet. Es ist dies „die“ Frage schlechthin - und ganz aufrichtig kann man sie, gerade von links her, nur so beantworten: Die Linke ist derzeit in einer Weise zerfallen, macht eine solche Krise ihrer herkömmlichen Hegemonie der sozialen Kräfte durch und bietet eine Unsicherheit gegenüber der technologischen Restrukturierung, daß das politische Bild heute, ob es uns recht ist oder nicht, eben von der Auseinandersetzung der DC des Ciriaco De Mita und dem PSI Craxis bestimmt wird.
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