„Der Krieg kann unmöglich beendet werden“

■ Die Friedensmission einiger Teheraner Politiker wird von Khomeini gestoppt / Ein saudi–arabischer Vermittlungsversuch könnte einen Waffenstillstand erreichen / Die iranische Wirtschaft braucht für den Wiederaufbau dringend Devisen / Beide Supermächte stützen den Irak und drängen auf ein Ende des Krieges

Aus Bahrain William Hart

„Wir sind aufgefordert, auf keines dieser Propagandamundwerke oder deren Anhänger zu hören, die entweder die Sprache der USA sprechen oder in die Irre geleitet wurden, wenn sie aussprechen, daß der Krieg beendet werden soll. Der Krieg kann unmöglich beendet werden, ohne daß die korrupte Partei (herrschende Baathpartei in Irak) verschwunden ist.“ Mit „Allah–o–Akbar“–Rufen unterbrachen Familienangehörige von Kriegstoten, Gefängnisaufseher und Geheimdienstler den 87jährigen iranischen Revolutionsführer, der mit matter und monotoner Stimme seine Friedensformel für den Golfkrieg wiederholte. Auch wenn Khomeini nur wiederholte, was er nahezu wortgleich schon immer gesagt hatte, wußten seine Zuhörer sofort, daß der Führer wieder mal gezielt in das Tauziehen hinter den Kulissen der iranischen Politik eingegriffen hatte. Denn der Alte kündigte über die Verstärkeranlage der kleinen Djamaran–Moschee nicht nur die göttliche Bestrafung für alle Gegner der Revolution an, sondern warnte auch: „Ihr müßt wissen, daß ein einziges abweichendes Wort eine große Sünde ist, die durch den allmächtigen Gott nur schwer vergeben wird.“ Der Revolutionsführer bemühte die außerirdischen Kräfte auch „gegen unsere Freunde oder gegen Menschen, die behaupten, rein zu sein“. Unmißverständlich fügte er hinzu: „Diejenigen, die uns zu Frieden und Kompromissen drängen wollen, werden vor Gott stehen und müssen darüber Rechenschaft ablegen.“ Die iranische Nation müsse sich vorbereiten, diesen Keim der Korruption zu entwurzeln. Waffenstillstand anvisiert Verschlüsselt, aber doch eindeutig ist damit klar geworden, daß es in der iranischen Führung Kreise gibt, die bereit sind einem Waffenstillstand oder gar Frieden im knapp siebenjährigen Krieg gegen Irak zuzustimmen. Die Khomeini–Erklärung kam nicht zufällig. Wenige Stunden vorher hatte die Londoner Zeitung Times einen Bericht veröffentlicht, wonach mit Beginn des Fastenmonats Ramadan, also am Dienstag vergangener Woche, ein Waffenstillstand wirksam und Friedensverhandlungen begonnen werden sollten. Diese Abmachungen würden durch Saudi–Arabien vermittelt werden. Die Times berief sich auf nicht näher bezeichnete iranische Quellen. Der Auftritt Khomeinis machte deutlich, um welche Quellen es sich handelte. Durch gezielte Indiskretion hatten Teheraner Hardliner den Friedensfreunden innerhalb der eigenen Regierung das Handwerk zu legen versucht. Sie waren erfolgreich. Warum die Times dabei mitspielte, ist ein Kapitel für sich. Was war passiert? Der Sprecher des iranischen Verteidigungsrates Kamal Kharrazi hatte sich in London insgeheim mit dem saudischen Außenminister Prince Saud al Faisal getroffen und den Friedensplan abgesprochen. Sicherlich dürfte Kharrazi diese für ihn gefährliche Mission nur unternommen haben, weil die Saudis den Friedensweg mit Dollarbeträgen in Milliardenhöhe pflastern. Dies entspricht nicht nur der saudischen Art, aus dem Hintergrund gewünschte politische Entscheidungen quasi zu erkaufen. Das Angebot wäre auch nur die Wiederauflage einer Offerte aus dem Frühjahr 1981, also sechs Monate nach Ausbruch des Krieges gewesen. Damals hatte Saudi–Arabien dem Iran 100 Milliarden Dollar für den Fall geboten, daß das Land den Krieg beende. Yassir Arafat war zu dieser Zeit in Teheran noch gerngesehen. Ihm war von den Saudis die Vermittler–Rolle übertragen worden. Kharrazi ist sicher nicht ohne Rückendeckung nach London geflogen. Er ist zwar ein Mitglied des Teheraner Führungszirkels, aber ihm fehlen die Hilfstruppen in der innenpoliti schen Auseinandersetzung, Entscheidungen durchsetzen zu können. So deutet vieles darauf hin, daß Rafsanjani die geheime Mission gutgeheißen hatte. Die Gründe liegen auf der Hand: Geld für Frieden. Denn auch wenn Iran nur geringe Auslandsschulden hat, Devisen für den Aufbau der Wirtschaft fehlen, Fabriken liegen still. Reorganisation der Kräfte Die iranischen Großoffensiven dieses Jahres haben zudem bestätigt, daß Teheran auf absehbare Zeit Irak militärisch nicht besiegen kann. Dies wird auch durch die Teheraner Angriffe der vergangenen Tage belegt. Sie waren nicht die Fortsetzung der mörderischen Zermürbungsschlacht bei Basrah im Süden Iraks, sondern erfolgten in den kurdischen Bergen im Nordabschnitt der Front. Auch die in der iranischen Hauptstadt verbreiteten großmäuligen Siegesmeldungen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Verbände nahezu ausschließlich in von der irakischen Kurdenopposition kontrollierte Gebiete eingerückt waren und es kaum Kämpfe mit den irakischen Truppen gegeben hatte. So dienten diese Militäraktionen weniger der Schwächung des Kriegsgegners, sondern sollten vor allem den Aktionsspielraum der oppositionel len iranischen Kurden und der Volksmudjaheddin einschränken, die in den weder von der iranischen noch von der irakischen Armee kontrollierten Bergen ihre Stellungen haben. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Teheran den Zermürbungskrieg nicht mehr fortsetzen will oder es auch gar nicht mehr kann und die heißen Sommermonate, in denen im Süden nicht gekämpft werden kann, nutzen muß, um die militärischen Kräfte wieder zu reorganisieren. Die Sowjetunion scheint von einem Abflauen der Kämpfe auszugehen, denn parallel zu einer systematischen Aufrüstung Iraks durch Lieferung von Fahrzeugen und Flugzeugen macht Moskau Druck für ein Kriegsende. Michail Gorbatschow hat eine Internationale Konferenz zur Beendigung des Golfkrieges gefordert und den Druck auf den UN–Sicherheitsrat erhöht, in einer Sondersitzung über den Krieg zu beraten. Dabei dürfte die Sowjetunion davon ausgehen, daß sich die schleichende militärische Intervention der Supermächte in den Gewässern des persisch–arabischen Golfes mittelfristig zu ungunsten Irans auswirken wird. Denn der Geleitschutz für Tanker, die Öl arabischer Golfstaaten geladen haben, gibt Irak die Möglichkeit, ungehindert Tanker mit iranischem Öl anzugreifen. Die damit erreichte Beschränkung der iranischen Deviseneinnahmen soll den Druck auf Teheran, doch einem Frieden zuzustimmen, verstärken. Das gemeinsame Vorgehen der Supermächte wurde nur möglich, weil die Stellung der USA in der arabischen Welt wegen der Waffenlieferungen an Iran angeschlagen ist. Als Wiedergutmachung verschafft Washington dem von Saudiarabien und Kuwait finanziell gestützten Irak jetzt - parallel zu den sowjetischen Waffenlieferungen - den Spielraum für die Angriffe auf iranische Tanker, indem die iranische Vergeltung gegen Tanker von Dritt–Staaten durch verstärkten Geleitschutz militärisch eingedämmt wird. Es wäre aber eine Illusion zu glauben, daß Iran hierdurch zur Beendigung des Krieges gezwungen werden könnte, solange das Land Waffen und kriegsverwendbare Güter, wie bisher, ungehindert aus dem Ausland beziehen kann und Iran bei dem Import anderer Waren langfristige Zahlungsziele geboten werden. Die Chance für Frieden existiert, denn das Land kann den Krieg nur mit großer Mühe fortsetzen. Ein Zeichen nur dafür, daß in Teheran über Frieden nachgedacht wird, sind die Geheimgespräche mit Saudi–Arabien.