Bombardieren, Boykottieren, Ignorieren?

■ Reaktionen auf das Ergebnis der Bundesvorstandswahlen bei den Grünen / Angst der Realos vor den Kosten des Wahlsieges der Ökosozialisten und Fundis / Christian Schmidt, einer der neuer Sprecher, will „Grünes Gesamtanliegen“ vorantreiben

Aus Duisburg Oliver Tolmein

„Wir werden mit diesem Wahlergebnis leben müssen.“ Thomas Ebermann nahm das Ergebnis der Sprecherinnen–Wahl zum Bundesvorstand gelassen hin: es sei die Quittung für das Desinteresse des Realoflügels an der Partei. Wer seine guten Leute in die Parlamente schicke und für Parteiämter nur weitgehend Unbekannte aufbiete, dürfe kein anderes Ergebnis erwarten. Das Wahlergebnis sei eine Entscheidung für eine entschlossene und politische Darstellung der Grünen nach außen und „gegen das inhaltsleere Gesülze“ gewesen, meinte auch Rainer Trampert. Daß das eigene Kandidatinnenangebot nicht besonders überzeugend war, gestanden auch einzelne eher realpolitisch orientierte Grüne zu. Aber auch bei anderen Kandidaten, so vermutete Tom Koenigs, Fischer–Berater aus Frankfurt, hätte das Ergebnis nicht wesentlich anders ausgesehen. Die Reaktionen auf das Wahlergebnis fielen im Realolager aber doch recht unterschiedlich aus: Während die durchgefallene Kandidatin Riedel es als „furchtbar für die ganze Partei“ bezeichnete, Norbert Mann seinen Austritt aus den Grünen und den eventuellen Aufbau einer Alternative in NRW ankündigte, warnten Hubert Kleinert und andere davor, das Ergebnis „zu dramatisieren“. Schlimmer wäre es gewesen, wenn auf dem Landesparteitag der Grünen in Baden–Württemberg eine fundamentalistische Wahlaussage beschlossen worden wäre. Kleinert erklärte dieses für viele überraschende Wahlergebnis mit dem geringen Interesse vieler an der Basis aktiver Grüner an der Zusammensetzung des Bundesvorstands. Jo Müller, Ex– MdB, hat Angst um die Kosten dieses Wahlsiegs der Linken für die ganze Partei: „Da können wir unheimlich Wählerstimmen verlieren.“ Ähnliche Befürchtungen hat wohl auch Fraktionssprecherin Waltraud Schoppe, die allerdings auch betonte, daß der Rücktritt Helmut Wiesenthals von seinem Beisitzerposten im Bundesvorstand eine individuelle Entscheidung gewesen sei. Auf dem Realotreffen in der Nacht nach der Wahl habe man sich nicht dazu entschließen können, jetzt alle realpolitisch orientierten Grünen aus dem Bundesvorstand zurückzuziehen. Schoppe, die vermutete, daß auch die Basis sich nicht besonders um das neue Sprechergremium, das nicht alle Grünen–Strömungen vertrete, kümmern werde, zeigte sich aber auch kooperationsbereit: An der Fraktion werde es nicht liegen, wenn eine Zusammenarbeit nicht zustande komme. Norbert Kostede, der, obzwar den Realos zugerechnet, nicht als Kandidat der realpolitische Mehrheit galt, vermutet, daß eine Konsequenz dieses Wahlergebnisses die Schwächung des Bundesvorstandes sei: Die Landesvorstände, Fraktionen und kommunalpolitisch aktiven Grünen würden sich von diesem reinen Fundi–Gremium nicht vertreten fühlen und deshalb auch nichts sagen lassen. Eva Quistorp, Beisitzerin im Bundesvorstand, bezeichnete die neuen Sprecherinnen als „linkssektiererisches Triumvirat“ und kündigte an, sie selbst werde künftig als „Dissidentin im Bundesvorstand wirken“. Von den Delegierten erntete sie Buhs und Pfiffe als sie erklärte: „Ihr wißt ja gar nicht, was ihr da gemacht habt.“ Regina Michalik begrüßte vor allem, daß zwei Frauen ins Sprecherinnentrio gewählt worden seien. Christian Schmidt kündigte an, es werde Schwerpunkt der Arbeit des neuen Vorstands sein, „grüne Gesamtanliegen“ voranzutreiben: Volkszählungsboykott, die Auseinandersetzung mit der NullLösung. „Wenn hier auf dem Parteitag die Parole Boykottiert das Hauptquartier ausgegeben wird, dann finde ich: grünes Anliegen muß es sein, boykottiert den Atom– und Überwachungsstaat.“