Flucht in den Kompromiß

■ Heftige Debatte über „Müttermanifest“ auf dem Parteitag der Grünen / Mütter bekommen eigene „Unterarbeitsgemeinsachaft“ mit Finanzmitteln und politischer Sprecherin / Andere Frauen sehen darin einen Sieg für „eine schwarz–grüne Wendepolitik“

Aus Duisburg Maria Neef–Uthoff

Einer der Höhepunkte auf der Bundesversammlung der Grünen am vergangenen Wochenende in Duisburg war die Diskussion um eine neueinzurichtende „Bundesarbeitsgemeinschaft Mütter“. Als eigene Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) neben der bereits bestehenden „BAG Frauen“. Die Debatte, die sich über vier Stunden am Samstag morgen hinzog und die sehr heftig geführt wurde, endete mit einem scheinbaren Kompromiß. Die Delegierten entschieden sich mehrheitlich für eine Unterarbeitsgemeinschaft Mütter in der Frauen–BAG. Diese UAG hat aber Autonomie in Kompetenzen, Entscheidungen und Finanzen und stellt zudem eine eigene Sprecherin. Arbeitsgrundlage ist das sogenannte Müttermanifest, ein vorläufiges Konzept, das die Arbeit von Müttern in den Vordergrund rückt. Unterzeichnerinnen des Müttermanifests sind u.a. Gisela Erler, Dorothee Paß–Weingartz, Antje Vollmer, Gabi Potthast, Barbara Köster und Christa Nickels. Dies sei die Entscheidung für eine völlig neue Frauenpolitik, meint eine der siegreichen grünen „Mütter“, denn bis auf den Namen hätten sie zunächst alles erreicht. Daß es hier nicht vorrangig um die armen benachteiligten Mütter ging, sondern um Sieg oder Niederlage einer anderen Konzeption von Frauenpolitik, zeigt auch die Reaktion der Gegnerinnen, der Frauen der BAG Frauen. Jetzt hätten sich die Rechten durchgesetzt, heißt es, die, die sich nur selbst als Feministinnen bezeichneten, die aber in Wirklichkeit keine sind, weil sie rechte Werte wollen, Mütterideologie vorbereiten und die linken feministischen Utopien vergessen haben. Besonders deprimiert waren einige Frauen der Landesarbeitsgemeinschaft Nordrhein–Westfalen, die sich kurzzeitig überlegten, einfach auszutreten. Als die Debatte begann, war die Sympathie der Delegierten ganz und gar nicht auf seiten der Mütter. Doro Paß–Weingartz vom Kreisverband Bonn, die als erste Sprecherin für den Antrag antrat, die über Betroffenheit sprach und den BAG–Frauen Sektierertum vorwarf, erhielt zunächst wenig Applaus. Aber während sie noch sprach, wurde neben dem Podium ein Transparent entfaltet mit dem Text: „Müttermanifest, die zarteste Versuchung für schwarz– grüne Wendepolitik“, unterzeichnet von den Frauen der Landesarbeitsgemeinschaft Niedersachsen. Und gleichzeitig wurde bekannt, daß auf allen Frauenklos und auch sonst gelbe Zettel klebten mit der Aufschrift: „Es ist wieder soweit, das Kind adelt die Frau, das Kind adelt die Frau.“ Dazu ein Mutterkreuz mit Naziemblem, ebenfalls von den Frauen der LAG Niedersachsen. Damit war der Skandal da. Die Stimmung im Saal kippte, die Delegierten waren ebenso empört wie die Vertreterinnen der verschiedenen Positionen. Entschieden distanzierten sich die BAG– Frauen von den Aufklebern und dem darin enthaltenen Faschismus–Vorwurf. Es wurde gefordert, daß die Urheberinnen eine Stellungnahme abgeben sollten und sich ebenfalls distanzierten. Das passierte später, aber sehr schwach. Für einige Vertreterinnen der Mütter war klar, daß dies die Spitze eines Eisbergs sei, den die anderen mit ihren ständigen Mütterideologievorwürfen bereitet hätten. Zur Diskussion: Claudia Pienl vom KV Köln und Mitarbeiterin im Arbeitskreis Frauenpolitik sprach sich entschieden gegen vorgefertigte Leitbilder aus, sie wirft den Müttern mit ihrem Manifest vor, ein einziges Lebenskonzept von Frauen zu verabsolutieren und andere außer acht zu lassen. Sie warnt vor den Folgen des Manifests, die noch nicht abzusehen seien. Schließlich ginge es um die materielle Basis von Frauenarbeit und Umverteilung von Familienarbeit. Es ginge nicht um einen besseren oder schlechteren Feminismus, sondern um eine Erweiterung, meinte die grüne Gisela Erler vom Deutschen Jugendinstitut München. Es gehe darum, viele Mütter, die das größte Engagement im grünen Umfeld haben, wieder in die Partei hineinzuholen und ihnen menschliche Möglichkeiten für politische Arbeit zu schaffen. „Wenn ihr ehrlich seid, dann wißt ihr alle, daß wir solche Frauen ausgegrenzt haben.“ Und sie fragt, ob Frauen, die keine Feministinnen sind, bei den Grünen überhaupt erwünscht sind. Mit der Begründung, das Müttermanifest sei nur vorläufig, vermeiden die Mütter eine inhaltliche Auseinandersetzung ihres Konzepts. Sie halten Pragmatismus hoch. Die Diskussion beschränkt sich auf den Punkt der Benachteiligung der Mütter und den der Konflikte dieser Gruppe mit den BAG– Frauen. Es sei unmöglich geworden, miteinander zu reden und miteinander zu arbeiten. „Baut keine falschen Gegensätze auf“, fordert Waltraud Schoppe. Auch Mütter seien gegen den Paragraphen 218. Die Delegierten entschieden sich für den Kompromiß, den Eva Christorp in letzter Minute aus dem Hut zauberte. Daß das überhaupt kein Kompromiß war, war einigen wohl erst hinterher klar.