Biedenkopf wütend und traurig

■ Führungsstreit der CDU Nordrhein–Westfalens vor der Entscheidung / Biedenkopf sagt Presekonferenz ab Geißler hat angeblich schon einen Nachfolger für den Landesvorsitz parat: Norbert Blüm

Von Jakob Sonnenschein

Düsseldorf (taz) - Der erbitterte Streit in der nordrhein–westfälischen CDU treibt offenbar auf eine Entscheidung zu. Die zahlreichen Düsseldorfer Journalisten, die sich gespannt zu der für Montag anberaumten Pressekonferenz des CDU–Landesvorsitzenden Kurt Biedenkopf aufgemacht hatten, mußten unverrichteter Dinge heimkehren. Die Pressekonferenz „findet nicht statt“, hieß es knapp in einer Mitteilung des Biedenkopf–Büros. In der letzten Woche noch hatte sich Biedenkopf - „das Maß ist voll“ - entschlossen, zur „Situation der CDU in NRW“ öffentlich Stellung zu nehmen. Dazwischen lag das Wochen ende und ein Geißler–Brief. In diesem Brief soll sich der Generalsekretär, der laut dem neuesten Spiegel Arbeitsminister Norbert Blüm den Landesvorsitz andienen will, in dem Streit um den umstrittenen Landesgeschäftsführer Jörn Hochrebe Biedenkopfs Position angenähert haben. Geißler sollte nach dem Willen von Biedenkopf die endgültige Bestellung von Hochrebe verweigern, der, wie berichtet, gegen den Willen von Biedenkopf mit knapper Mehrheit vom Landesvorstand nominiert worden war. Am Montag vergangener Woche hatte Biedenkopfs Stellvertreter, der Rheinländer Dieter Pützhofen, Hochrebe ohne Wissen des Vorsitzenden in sein Amt eingeführt. Ein paar Stunden später wies der über diesen Coup erregte Parteichef den noch nicht mit einem Arbeitsvertrag ausgestatteten Hochrebe wieder die Tür. Geißler, der laut CDU–Satzung der Berufung von Landesgeschäftsführern zustimmen muß, hatte in der vergangenen Woche nach getrennten Gesprächen mit Pützhofen und Biedenkopf den Fall Hochrebe für noch „nicht entscheidungsfähig“ erklärt. In dem Brief vom Wochenende soll Geißler nun erklärt haben, daß ein Landesgeschäftsfüher nicht gegen den Willen des Landesvorsitzenden berufen werden könne. Dies genau ist Biedenkopfs Position, der für Montag abend eine außerordentliche Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstands einberufen hat. Dort will Biedenkopf offenbar einen neuen Kandidaten präsentieren. Biedenkopf ist zum Kampf entschlossen. Der Parteitag am 22./23. Mai in Essen soll die Entscheidung bringen. Biedenkopf letzte Woche: „Die 260.000 Mitglieder der CDU– NRW, denen ich mein Mandat verdanke, werde ich nicht im Stich lassen. Aber es ist keine Frage. Ich bin wütend und traurig zugleich. Einer Handvoll Leute ist es in den letzten drei Monaten gelungen, die beiden großen Landesparteitage und die Leistungen 10.000er im Bundeswahlkampf vergessen zu machen. Zu sehen ist von der neuen NRW–CDU nur noch ein Bild: Machtkämpfe innerhalb der Parteiführung, illoyales Verhalten untereinander. Die Partei kann diesen Zustand nicht ertragen und wird ihn notfalls machtvoll beenden müssen.“ Ob Biedenkopf dazu in der Lage ist, steht dahin. Zwar hat sich sein Stellvertreter Pützhofen, der sich wegen seiner stattlichen Erscheinung in einem Anflug von Größenwahn selbst gern als „der Kennedy vom Niederrhein“ beschreiben läßt, selbst um alle Chancen gebracht, aber wenn Norbert Blüm in den Ring träte, sähe es für Biedenkopf schlecht aus. Sein Bündnis mit der Basis gegen die Parteifuntionäre könnte schon deshalb scheitern, weil die Delegierten auf Landesparteitagen zum größten Teil dem Parteiestablishment angehören. Eine ganze Reihe von CDU–Leuten in NRW sähe zudem am liebsten die Erneuerung der ganzen Landesführung. Anders, so die Kritiker, sei die SPD bei der nächsten Landtagswahl nicht zu schlagen. Das wissen auch die Genossen in Düsseldorf, die sich nichts inniger wünschen als die Bewahrung des derzeitigen Zustands. Siehe Kommentar