Weiße Exklusivwahlen - Schwarzer Generalstreik

■ Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes COSATU spricht von großem Erfolg des zweitägigen Streiks / Weder Ausnahmezustand noch verstärkte Repressionen konnten den Protest gegen die rassistischen Wahlen unterdrücken / Gespenstische Ruhe in den Straßen

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - „Dieser Streik ist eine Demonstration des Widerstandes der überwiegenden Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung gegen den verrückten, unterdrückenden und rassistischen Kurs der Regierung“. Jay Naidoo, Generalsekretär des 700.000 Mitglieder zählenden Kongresses Südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU), spricht mit offensichtlicher Zufriedenheit. Der zweitägige Generalstreik ca. 500.000 schwarzer Südafrikaner aus Protest gegen den Wahlgang der drei Millionen weißen Wähler des Landes war ein riesiger Erfolg. „Es ist deutlich, daß unsere Bewegung die Bewegung der wirklichen Demokratie in Südafrika ist“, meint Naidoo. Naidoo spricht an einem geheimen Ort vor wenigen Journalisten. Nach den wiederholten Polizeiüberfällen auf das COSATU– Hauptquartier befürchten Gewerkschaftsführer, daß die Polizei es jetzt auf sie abgesehen hat. Die tägliche Arbeit der Gewerkschaften wird erheblich gestört. Der Erfolg des Streiks ist daher umso beachtlicher. Am Dienstag und Mittwoch herrschte dann eine unheimliche Ruhe in den Straßen von Soweto und Johannesburg. Busse waren leer, Bahnhöfe verlassen, Geschäfte geschlossen. Ähnlich sah es in vielen anderen Teilen des Landes aus. Nur vereinzelt gab es Jugendliche, die Arbeiter von der Fahrt in die Stadt abzuhalten versuchten. Es bedurfte keiner handfesten Überzeugung durch radikale Jugendliche, um den Streik zum Erfolg zu machen. Weder der Ausnahmezustand oder die Behinderung der Gewerkschaften, noch die erzwungenermaßen halblegale Vorgehensweise der Opposition konnte den Protest der schwarzen Mehrheit gegen die rassistischen Wahlen verhindern. COSATUs Aufruf zum Generalstreik wurde erst Mitte letzter Woche bekanntgegeben. Zu dieser Zeit herrschte im COSATU– Hauptquartier in Johannesburg ein einziges Chaos. Die meisten Türen des in der Vorwoche von Polizisten gestürmten Gewerkschaftshauses standen unrepariert offen. Ungehindert rannten Journalisten von Etage zu Etage auf der Suche nach einem Interviewpartner. Lautsprecher forderten Gewerkschaftsführer auf, in ihre Büros zurückzukehren. Doch die einen waren bei einem wichtigen Strategie–Treffen, die anderen im Obersten Gerichtshof, wo eine einstweilige Verfügung gegen weitere Polizeiüberfälle auf COSATU beantragt worden war. Der 1. Mai stand direkt vor der Tür und niemand wußte, was geplant war. „In Kimberley findet eine große Versammlung statt“, hieß es im elften Stock. Sechs Etagen tiefer galt jene Versammlung schon als verboten. In letzter Minute wurde noch versucht, in Johannesburg einen Versammlungsort zu finden. Doch die Arbeit wurde abrupt abgebrochen, als am Nachmittag ein einziger Polizeiwagen vor dem COSATU–Haus vorfuhr. „Wir haben den 1. Mai nicht früh genug organisiert“, gab ein Gewerkschafter zu. „Die Polizeiüberfälle haben uns wirklich durcheinander gebracht.“ Selbst kleine, lokale Treffen von Gewerkschaftern wurden von der Polizei gestört. Der Kommunikationsfluß vom Hauptquartier zu den Mitgliedern war fast unterbrochen. Letztendlich wurde der 1. Mai als Aktionstag aufgegeben. Man konzentrierte sich auf den Streik für die folgende Woche. Natürlich war der COSATU– Aufruf, der auch von dem 700 Gruppen vertretenden Oppositionsbündnis Vereinigte Demokratische Front (UDF) und dem neugegründeten Jugendkongreß SAJCO unterstützt wurde, keine direkte Aufforderung zum Streik. Das verbietet das Ausnahmegesetz. So ging es öffentlich nur um „zwei Tage des friedlichen Protestes“. Erst in anonymen Flugblättern, die Aktivisten am Vorabend der Streiktage illegal in den Townships verteilten, wurde dann formal zum Streik und zu verschiedenen Boykotts aufgerufen.