Biedenkopf beweist Sitzfleisch

■ Der nordrhein–westfälische Vorsitzende der CDU sucht die Entscheidung auf dem Parteitag / CDU–Fraktion vorläufig ausgekontert / Norbert Blüm sagt Kandidatur für den Vorsitz ab / Biedenkopf in der Offensive

Von Jakob Sonnenschein

Düsseldorf (taz) - Der nordrhein–westfälische CDU–Vorsitzende Kurt Biedenkopf wird der Rücktrittsforderung der CDU– Landtagsfraktion nicht nachkommen. In einem WDR–Interview erklärte der umstrittene Parteichef am Mittwoch: „Sicher ist, daß ich vor dem Parteitag nicht zurücktrete, sondern daß ich meinen Auftrag beibehalte und daß ich eine solche Entscheidung, ob ich den Auftrag fortführen soll oder nicht, dem Parteitag überlasse.“ Die Partei müsse sich jetzt „zusammenraufen“. Biedenkopf räumte ein, viele Situationen „falsch eingeschätzt“ zu haben, aber „Fehler vermeiden kann man nur, wenn man nichts tut“. Nach dem eindeutigen Votum der Fraktion gegen Biedenkopf und Pützhofen liegt nun die Entscheidung wieder bei der Partei. Biedenkopf will den offenen Kampf, ein klammheimlicher Abtritt kommt für den streitbaren Intellektuellen nicht in Frage. Inzwischen setzt Biedenkopf schon wieder die Akzente. Geschickt nahm er die Parolen der Fraktion auf und wendet sie gegen seine eigenen Widersacher: Biedenkopf am Dienstag nachmittag: „Es ist für mich deprimierend, mitzuerleben, wie durch ständige Indiskretionen, Illoyalitäten und die Verweigerung von Solidarität die vielversprechenden Anfangserfolge der neuen NRW–CDU verschüttet worden sind. Fortsetzung auf Seite 2 Ich habe volles Verständnis dafür, daß meine Fraktionskollegen angesichts der entstandenen Lage von den Führungsorganen der Landespartei entschiedenes Handeln verlangen.“ Nach Informationen der taz hat der von vielen Christdemokraten in NRW herbeigesehnte Bundesarbeitsminister Norbert Blüm de finitiv eine Kandidatur für den NRW–Vorsitz abgelehnt. Damit droht die zur Schau gestellte Solidarität der Biedenkopf–Gegner aufzubrechen. Inzwischen werden von den verschiedenen Fraktionen und „Klüngel–Gruppen“ schon insgesamt zwölf Kandidaten als Nachfolger gehandelt: Eine Maus grauer als die andere. Am späten Mittwoch abend trat der geschäftsführende Landesvorstand zusammen, dessen Rücktritt die Fraktion für den Fall, daß bis zum Freitag kein Erneuerungskonzept zustande kommt - gefordert hatte. Für den Freitag ist der gesamte Landesvorstand einberufen. Rücktritte sind nicht ausgeschlossen. Nur der Stellvertreter Biedenkopfs, Pützhofen, will bleiben. Er tritt nur dann ab, wenn er gleichzeitig auch seinen Chef mit in den politischen Abgrund reißen kann. Unklar ist noch, ob es bei dem für den 22./23. Mai anberaumten Parteitagstermin bleiben wird. Um ordentliche Neuwahlen durchführen zu können, reicht wegen der vorgeschriebenen Fristen die Zeit nicht mehr. Sollte neu gewählt werden, müßte der ordentliche Parteitag in einen außerordentlichen umgewandelt werden. Dann gilt nur eine achttägige Ladungsfrist. Am Donnerstag hat der Vorstand des CDU–Kreises Gütersloh den Landesvorstand aufgefordert, am Freitag zurückzutreten und sobald als möglich einen Neuwahl–Parteitag einzuberufen.