Getrennt feiern - gemeinsam absagen

■ DDR lädt Regierenden Bürgermeister von Berlin (West), Diepgen, vom Staatsakt zur Berlin–Feier in Berlin (Ost) aus / Diepgen erklärt Besuch für „erledigt“

Aus Berlin Mechthild Küpper

Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen ist einer schwierigen Entscheidung enthoben. Gestern teilte ein Sprecher des DDR– Außenministeriums einem Reporter mit, daß eine Teilnahme Diepgens an Veranstaltungen „in der Hauptstadt der DDR zur Zeit nicht vorstellbar ist“. Begründet wird das mit „verleumderischen Ausfällen gegen die DDR“, die bei der Eröffnungsfeierlichkeit in West–Berlin vor einer Woche formuliert worden seien. Damit habe Diepgen den „Boden für Gemeinsames“ verlassen. Der Festakt der DDR zur 750–Jahr–Feier unter Teilnahme von Erich Honecker wird ohne den Regierenden Bürgermeister West–Berlins stattfinden, alle kommunalen Besuche zwischen Ost– und West–Berliner Politikern sind abgesagt. „Für mich ist die Frage der an mich ergangenen Einladung erledigt“, sagte Diepgen zu der Quasi–Absage aus Ost–Berlin und schlug damit seinerseits den Besuch in Ost–Berlin aus. Er bedauerte, daß die DDR sich nicht in der Lage sähe, eine Politik fortzusetzen, die mit vielen Hoffnungen verbunden war. Er appellierte an die DDR, die Zusagen, die für verbesserte Reise– und Besucherregelungen gemacht wurden, einzuhalten. „Ausdrücklich abmahnen“ werde er diese Verbesserungen. Verhandlungen seien Aufgabe der Bundesregierung. Diepgen wollte an seine Kollegen, die Ministerpräsidenten, keine Ratschläge über eine Teilnahme geben. Fortsetzung auf Seite 2 Im letzten Sommer erst hatte er in einem Brief auf die statusgefährdenden Aspekte einer Teilnahme am DDR–Staatsakt hingewiesen. Den Urheber der DDR–Absage sieht Diepgen in der Sowjetunion, die „die Handlungsfähigkeit der DDR eingeschränkt“ habe. Die sowjetischen Nachrichtenagenturen sei mit der „Polemik“ gegen Kohl und die Festreden am 30. April vorgeprescht, dann habe die DDR nachgezogen. Diepgen versicherte jedoch, daß die Politik des Dialogs vom Senat fortgesetzt werden wird. Er sieht in dieser Absage und denen von Ost–Berliner Bezirksbürgermeistern und Bürgermeistern aus der DDR für kommunale Kontakte, die seit vorgestern eintrudeln, eine Bestätigung seines langen Zögerns, sich zur Einladung der DDR definitiv zu äußern. Auch der SPD–Landes– und Fraktionsvorsitzende Walter Momper wertete die Äußerung des Außenministeriums–Sprechers als Absage. Wenn dies „das letzte Wort der DDR“ bliebe, werde auch er seine Zusage rückgängig machen und im Oktober nicht fahren. Weder Diepgen noch Kohl hätten am 30. April im ICC einen „wirklichen Grund“ für solche Reaktionen geliefert, diese Begründung sei ein „Vorwand“ und eine „Brüskierung“ des Re gierenden Bürgermeisters. Die Festredner hätten lediglich eine „Beschreibung der Realität“ geliefert, der er sich voll anschließen könne. „Man wird hierzulande die Mauer noch Mauer nennen dürfen“, erklärte Momper. „Die DDR kann kein Interesse daran haben, eine Einladungspolitik wieder auf Null zu bringen, die sie selbst eingeleitet hat“, fand er, und: „Es handelt sich offensichtlich um eine Block–Entscheidung“, die nicht der Interessenlage der DDR entspreche. Die Sowjetunion werde einen Beitrag zur Entspannung leisten müssen. Das könne sie am besten, „indem sie die gewachsenen Bindungen von Berlin (West) an den Bund akzeptiert“. Die SPD, kün digte Momper an, werde noch in dieser Woche in Gesprächen mit der SED diese Meinung vertreten. Die Alternative Liste erklärte zu den Absagen für die Bezirksbürgermeister, Diepgen trage durch sein monatelanges Zaudern eine Mitschuld an der Entwicklung.