Parlamentarische Nachhut–Gefechte

■ Auf Antrag der SPD gab es im Berliner Abgeordnetenhaus eine Sondersitzung zur Nacht von Kreuzberg / Die Opposition setzt auf soziale Ursachen, die Regierungskoalition auf den „harten Kern“ der Autonomen

Aus Berlin Mechthild Küpper

„Als Innensenator kann er in Berlin noch viel anrichten“, argwöhnte SPD–Chef Momper und forderte Innensenator Kewenig (CDU) auf, wieder „Hochschullehrer in Kiel“ zu werden. Der AL–Sprecher formulierte es launiger: Wenn die Alternative heiße, „dusslig und Innensenator in Berlin oder intelligent und in Amt und Würden in Bonn“, dann solle er doch Heinrich Lummer folgen und Berlin von seiner Amtsführung „verschonen“. Die Tatsache, daß in der Nacht zum 2. Mai in Kreuzberg auch „ganz normale Leute“ geplündert und mehr als „klammheimliche Freude“ empfunden haben, ist zugleich die umstrittenste Aussage aus den Bilanzen von Polizei und Politik. Der stellvertretende CDU– Fraktionsvorstand Landowsky, ein begnadeter Vereinfacher, sah nur „200 Autonome und 300 Mitläufer“ am Werk. Den Mangel an Rechtsbewußtsein rechnete er vor allem den fehlenden Distanzierungen von Gewalt und den Aufrufen zu Rechtsbrüchen bei der AL zu. Der Aufruhr „hatte keine sozialen, sondern kriminelle Motive“, stellte er fest. Darin war er sich mit dem ehemaligen FDP–Justizsenator Oxfort einig, der wußte, daß auch schwierige Lebensumstände „niemanden zwingen, kriminell zu werden“. Der Regierende Bürgermeister Diepgen sah es differenzierter: Härte und Nachdenklichkeit seien gefragt. Härte gegenüber Gewalttätern, Nachdenklichkeit in der Frage der Ursachen. SPD–Chef Momper, nach einer Anhörung von Augenzeugen und sachverständigen Kreuzbergern gut präpariert, nannte als wichtigste Elemente im Konfliktfeld Kreuzberg: die weit verbreitete Dauerarbeitslosigkeit, die niedrige Kaufkraft, die soziale Vernachlässigung und die geringe Identifikation mit dem Bezirk. Er forderte die Einsetzung einer unabhängigen Kommission unter Leitung des pensionierten Richters Grundei. Wie ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß solle die Kommission arbeiten dürfen, um den Ursachen für den Ausbruch auf die Spur zu kommen.