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JWC–Präsident Bronfman gelassen

■ Der jüdische Weltkongreß endete im Streit zwischen europäischen und amerikanischen Juden um Waldheim–Affaire / 12.000 sowjetische Juden sollen demnächst ausreisen dürfen

Aus Budapest Hubertus Knabe

Der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg, der 1944 10.000 Budapester Juden das Leben gerettet hat und dann in sowjetischer Gefangenschaft verschwand, ist möglicherweise noch am Leben. Dies geht aus einer Botschaft der Schwester Wallenbergs hervor, die am Donnerstag bei einer Zeremonie des jüdischen Weltkongresses vor dem neu errichteten Wallenberg–Denkmal in Ungarn verlesen wurde. Die inoffizielle Feierlichkeit vor dem Wallenberg–Denkmal fand am Donnerstag morgen unter starker Polizeibewachung und in Anwesenheit von rund 100 Journalisten und den Delegierten des Weltkongresses statt. Die offizielle Übergabe des Denkmals durch den Budapester Bürgermeister war zuvor kurzfristig um zwei Wochen verschoben worden und soll nun am 15. Mai stattfinden. Ursprünglich sollte das Denkmal wegen sowjetischer und ungarischer Einwände auf exterritorialem Gelände im Garten der amerikanischen Schule aufgestellt werden. Dann gelang es dem Bildhauer Imre Varga, der zugleich Vorsitzender des Bildhauerverbandes ist, nach vierjährigen Bemühungen, eine Genehmigung dafür zu erwirken, daß das Denkmal an einem öffentlichen Platz aufgestellt werden konnte. Auf Fragen von Journalisten, ob der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Edgar Bronfman, bei seinen Gesprächen in Moskau nach dem Schicksal Wallenbergs geforscht habe, bejahte dieser dies, fügte jedoch hinzu, er sei in Moskau dabei auf eine „Steinmauer“ gestoßen. Im Mittelpunkt der Budapester Beratungen des Weltkongresses, der sich erstmals in einem osteuropäischen Land versammelte, standen darüber hinaus die Lage der Juden in der Sowjetunion und die Vorwürfe gegenüber dem österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Bronfman äußerte sich am Donnerstag abend gelassen über die Ankündigung Waldheims, den Weltkongreß wegen Verleumdung anzuklagen. Er sei gerne bereit, zu einem etwaigen Verfahren nach Wien zu reisen. Auf der anderen Seite unterstrich er, daß es ihm nicht um eine Konfontration mit dem österreichischen Volk oder der Regierung gehe. Zuvor war auf dem zweitägigen Kongreß Streit zwischen den Vertretern der europäischen und der amerikanischen Jüdischen Gemeinschaften um die Bildung einer Historiker–Kommission entbrannt, die sich mit der militärischen Vergangenheit des österreichischen Präsidenten Kurt Waldheim befassen soll. Was die Ausreise sowjetischer Juden betrifft, so nannte Bronfman eine Zahl von 12.000 Juden, die voraussichtlich die Sowjetunion in Kürze verlassen könnten. Darüber hinaus gäbe es Verhandlungen mit der DDR über Kompensationszahlungen an Juden, die bislang von Ostberlin immer abgelehnt worden sind. Gegenüber der ungarischen Regierung bezog Bronfman eine betont freundliche Haltung. Er dankte ihr für die Aufstellung des Wallenberg–Denkmals und erklärte, die ungarischen Juden lebten in voller Gleichberechtigung und unterlägen keinerlei Diskriminierungen. Demgegenüber kündigte die unabhängige jüdische Gruppe „Shalom“ eine Zusammenkunft im Schatten der Tagung des Weltkongresses an, um auf ihre Forderung aufmerksam zu machen, die ungarischen Juden mit den Rechten einer nationalen Minderheit auszustatten. In der Gruppe arbeiten junge gläubige Juden zusammen mit zionistischen Orientierungen, was sie wiederholt heftigen Angriffen durch die Führung der Budapester Jüdischen Gemeinde aussetzte. Das komplizierte Verhältnis zwischen Juden und ungarischem Staat ließ sich in Budapest auch daran erkennen, daß die offiziellen Medien das Treffen des Weltkongresses nur mit einer kurzen Meldung im Parteiorgan Nepszabadsag würdigten. Auch kam es zu keinerlei Zusammenkünften mit Vertretern der Parteiführung, die Komplikationen im Verhältnis zur sowjetischen und zu den arabischen Staaten fürchtet, während eine Regierungsdelegation schon am Dienstag den Vorsitzenden des Weltkongresses am Flughafen empfing. Später kam es auch zu einem Gespräch mit dem ungarischen Außenminister Peter Varkonyi. Bronfman erklärte danach, dieser habe ihm gesagt, die von Ungarn ausgesprochene Einladung an Kurt Waldheim sei keineswegs fest terminiert, sondern vage und unverbindlich. Ungarn hat seiner jüdischen Gemeinde schon frühzeitig die Erlaubnis gegeben, Mitglied im Weltkongreß zu werden, während die Juden der anderen sozialistischen Staaten, außer Rumänien, nur Beobachter entsenden oder - wie die zwei Millionen Juden der Sowjetunion - überhaupt nicht vertreten sind.

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