Sehnsucht nach linker Öffentlichkeit

■ Am Donnerstag abend trafen sich in einem Berliner Cafe überwiegend alte Linke und einige junge, um über den „Republikanischen Club“ (AO) zu debattieren

Berlin (taz) - „Republikanischer Club“, das hat immer noch einen guten Klang, auch wenn die Zeiten nicht mehr so sind wie 1967, als die Schriftstellerin Sarah Haffner dem Club zum ersten Mal beitrat. Am Donnerstag abend wurden keine Clubkarten verteilt, mußte das ins Cafe Hardenberg drängelnde Publikum, „um den Willen der Stabilität zu demonstrieren, diesen ersten Abend mit 10 Mark Unkostenbeitrag möglich machen.“ Der“Republikanische Club“ wurde vorgestellt. Nicht gegründet wurde er, sondern die Gründung wurde angedroht. Das „AO“ (Aufbauorganisation) provozierte doch bei einem Teil Fragen, was erhellt, daß es an diesem Abend der „linken Geschichte“ Eingeweihte und Nicht–Eingeweihte gab. Die Veranstalter spielten auf die damalige KPD/AO an und gaben zu verstehen, daß ohne Selbstironie eine solche Gründung nicht denkbar sei. In den stickig vollen Räumen zeigten die erprobten Linken Geduld, Geduld mit der Akustik, mit der Lautsprecheranlage, mit den Schwierigkeiten Matthias Greffraths bei der Begrüßungstitelei. Auch das „Du“ oder das „Sie“ war ein nicht abgeschlossenes Thema, Krippendorf rief entflammt zur Rückkehr zum „Du“ auf. Weil Hans Magnus Enzensberger kurzfristig abgesagt hatte, hielt Uwe Wesel gewissermaßen das Gründungsreferat: Da ja die Sprachlosigkeit der Linken bedrückend ist, was liegt näher als über die „Sprache der Wende“ zu reden? Wesel versuchte eher zu plaudern, im Kampf mit dem Mikrophon. Er enthüllte, daß Geißler ein „Büchsenspanner“ sei und systematisch die Sprache besetzt habe. Zitierte Kohl - Reden vom Geist und Gefühl. Neu war das nicht; auch die Aufforderung, daß die Linke ihrerseits „besetzen“ müsse. Genauer, es war nicht nur nicht neu, es war einige Jahre hinterher. Inzwischen gab es ja schon einige mißlungene „Besetzungsversuche“ von der Glotzschen „linken Hegemonie“ bis hin zur Grünen Sprache. Warum das nicht funktioniert, mochte an diesem Abend niemand so recht wissen. Schließlich waren die meisten aber wohl gekommen, um das Kreuzungskonzept aus „Debating Society, Club und linkem Cafe erst einmal zu erproben“. Urs Jaeggi saß an seinem Stammplatz an der Theke, Familie Karsunke hatte vergessen, den Büchertisch des Kursbuch–Verlages aufzustellen, so daß es einigen an einiger Orientierung durchaus mangelte. Ein kampfbewußter ALer vermißte das Konkrete. Kurz und knapp fiel die Antwort aus: „Es gibt in Berlin genügend Organisationen, die sich damit beschäftigen.“ Die, denen die Kreuzberger Mainacht näher lag, bekamen da schon mehr Gehör, wenn auch nicht abschließend. Die Forderung stand jedenfalls im Raume: „Wir müssen überlegen, daß wir mehr Gewalt ausüben - und welche.“ Noch bewegender indes, wie gesagt, die Frage: Sollen wir uns hier eigentlich duzen, siezen oder was. Der common sense ging Richtung siezen. Warum wohl war man sich vor etlichen Jahren aus dem Wege gegangen, man war es und sich gehörig leid geworden. Und verspürt doch heute offensichtlich wieder neue Gemeinsamkeitsgefühle. Reinhold Schattenfroh, der Ex–Staatssekretär der SPD, blieb skeptisch: „In dieser Masse, das geht nicht mehr, das ging in den 60ern.“ Trotzdem hatten sich zahlreiche Sozialdemokraten, sogar der Landesgeschäftsführer war unter ihnen, ins Cafe–Haus begeben. Der Entstaatlicher Josef Huber saß derweil friedlich neben dem ALer Dirk Schneider, Thomas Schmid kam nicht aus der ökolibertären Deckung, versprach es aber fürs nächste Mal. Kurz: ein Debattierclub, der erst einmal nicht debattieren wollte. Die Stimmung war gut trotz der miesen Premiere - man muß sich eben wieder treffen. bmm/KH