Kind bei Auseinandersetzung in Seoul um Slumsanierung getötet

Seoul (taz) - „Jetzt lassen sie uns nicht einmal mehr unsere Toten“. Fassungslos steht die alte Frau aus dem Seouler Slumviertel Sangye Dong vor dem Foto des achtjährigen Oh Dong Gun, das vor der katholischen Myong Dong Kathedrale im Zentrum der südkoreanischen Hauptstadt heftet. Der kleine Junge ist das vorerst letzte Opfer der Auseinandersetzungen um die Zerstörung der Elendssiedlungen von Seoul. Vor einer Woche wurde er von herabstürzenden Trümmern erschlagen, als die baufällige Hütte seiner Eltern in Sangye–Dong zusammenbrach, nachdem die Nachbarhäuser bereits abgerissen worden waren. Nachdem die Angehörigen des Kindes zusammen mit Nachbarn und drei katholischen Priestern öffentlich auf die Mitverantwortung der Stadtverwaltung für den Tod von Dong Gun aufmerksam gemacht hatten, wurde der Vater des Jungen verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt, die Mutter aus der Leichenhalle geprügelt und die Leiche des Kindes kurzerhand gestohlen. Nur eine halbe Stunde nach dem überfall wurden die sterblichen Überreste des Kindes auf höhere Anordnung in einem Krematorium verbrannt. „Es ist nicht das erste Mal, daß so etwas passiert,“ erklärte dazu der amerikanische Priester John Daly. „Alle Beweismittel des Terrors und möglichst auch die Opfer sollen von der Bildfläche verschwinden.“ Trotzdem demonstrierten am gestrigen Sonntag etwa 1.000 Menschen vor der Myong Dong Kathedrale gegen das Vorgehen der Polizei, die mit mit Knüppeln, Gasmasken und Tränengasgrananten gegen die Demonstranten vorging. Dirk Messner