Die Deutsche Bank ist der Champion im „Monopoly“

■ Entscheidende Branchen im Griff der Großbank / „Das Imperium der Deutschen Bank“ - ein wichtiges Buch über die Hintergründe von Atom und Rüstung BUCHREZESSION

Man stelle sich vor: Der Spiegel hat Anfang der achtziger Jahre von der Deutschen Bank - enge Geschäftspartnerin Friedrich Karl Flicks - Unterlagen über den Bestechungs– und Parteispendensumpf der Republik erhalten. Die Vorstandsetage des noblen Hauses verdonnerte Rudolf Augstein, er solle aus den Akten und Vorgängen nach allen Regeln der Kunst umgehend eine Skandalstory basteln und insgeheim Friedrich Karl Flick dabei mit Dreck bewerfen. Augstein tat wie ihm geheißen und der Name des Düsseldorfer Großindustriellen wurde fortan zum Synonym für alles Unehrenhafte im bundesdeutschen Wirtschaftsleben, so daß er vollends die Lust am Unternehmertum verlor. Als Unperson verscherbelte Flick in der Folge seine Besitztümer, die seither von der Deutschen Bank beherrscht, wenn auch nicht besessen werden. Wie das alles kam? Nun, die Bertelsmann AG ist über ihre Tochter Gruner + Jahr zu 24,75 Prozent an der Spiegel KG und zu 25 Prozent an der Komplementär–GmbH des Spiegel beteiligt. Zudem ist Gruner + Jahr mit 24,9 Prozent an der Spiegel– Tochter Manager Magazin beteiligt. Zumindest bei allen nicht–redaktionellen Entscheidungen geht somit weder an Gruner noch Jahr ein Weg vorbei. Das Entscheidende: Gruner + Jahr–Mutter Bertelsmann wiederum steht unter starkem Einfluß der Deutschen Bank. Deren Vorstand Burgard thront als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat des Gütersloher Verlagsgiganten, und im Rat von Gruner + Jahr sitzt Bank–Vorstand Ehret. Im Gegenzug sitzen in den „Beiräten“ der Bank diverse Vertreter von Ber telsmann und Gruner + Jahr. Das wäre vielleicht eine „Spiegel– Affäre“... Wie der Leser ahnt, ist die Story frei erfunden. Selbst Hermannus Pfeiffer deutet nichts dergleichen in seinem jetzt erschienenen Buch „Das Imperium der Deutschen Bank“ an. Nicht frei erfunden ist indes der Tatbestand, daß die Deutsche Bank beim Flick–Verkauf kräftig absahnte und ihre vielzähligen Daumen auf allen halbwegs relevanten Branchen der Bundesrepublik hält (so eben auch indirekt beim Spiegel). Und hier hat sich Pfeiffer in seiner Fleißarbeit um Offenlegung verdient gemacht. Rechtzeitig zur Jahreshauptversammlung der Nr. 1 im deutschen Kreditgewerbe und diverser Gegenveranstaltungen am 14. Mai in Berlin (siehe taz vom Freitag) hat Pfeiffer das Firmenimperium unter die Lupe genommen. Ein gigantisches Monopoly–Spiel offenbart sich dem Leser. Anstelle von Hotels und Ereigniskarten gibt es Scheine für Aktienbesitz, für Kreditlinien. Und ähnlich wie beim Monopoly schlägt bei unterschiedlichen Spielanteilen irgendwann einmal das Pendel zugunsten desjenigen um, der „mehr hat“. Wer als Bank Kredite an ein Unternehmen vergibt, der sagt, wo es langgeht. Dies wird um so bedeutender, je mehr „moderne“ Investitonsvorhaben den Finanzrahmen der Firmen sprengen. Das betrifft die Kraftwerksindustrie, aber auch Milliarden–Entwicklungen im Rüstungssektor oder gar in der Raumfahrt und anderem High–Tech–Spielzeug. Zur Deckung des ungeheuren Finanzbedarfs mußten seit der Nachkriegszeit auch die letzten Familienunternehmen auf Aktiengesellschaften umschalten: Eine Gelegenheit für die finanzkräftigsten Banken - die die neuen Aktien auch „emittieren“ (“verkaufen“) - sich gezielt Anteilsbesitz zu verschaffen, um auf Hauptversammlungen die Aufsichtsräte und Vor stände der Konzerne zu bestimmen. Darüber hinaus überläßt der Kleinaktionär auch gern seiner Hausbank das Stimmrecht für seine Aktie (“Depotstimmrecht“). Pfeiffer hat tabellarisch alle deutschen Großunternehmen danach aufgelistet, welcher der drei Großbanken (Deutsche, Dresdner und Commerzbank) sie jeweils über diese Einflußschienen zuzuordnen sind, die Creme der Creme jedenfalls gehört zur Deutsche–Bank–Gruppe. Für die Dresdner– und Commerzbank fallen noch immer genügend „Brosamen“ ab, wenn sie auch - vor allem die Dresdner - in letzter Zeit arg gerupft wurden. Besonders eindrucksvoll schildert Pfeiffer den Niedergang der AEG, ursprünglich zur Dresdner gehörig. Der ganze Konzern wurde letzten Endes von der Deutschen Bank auch mithilfe ihres „Gruppenmitgliedes“ Siemens kunstvoll zerlegt. Die profitabelsten Teile davon verleibte sie der eigenen „Gruppe“ ein, und das, was davon übrig blieb, war schließlich maßgeschneidert, um in das Deutsche–Bank–Subimperium Daimler Benz aufgenommen zu werden - nicht zuletzt als Rüstungs– und Raumfahrtkonkurrenz zum „Dresdner“ Kriegsgerätehersteller Messerschmitt–Bölkow–Blohm. MTU und Dornier (beide vom Fach) hatte man sich schon vorher gesichert. Schuld am Abgang der AEG aus dem Reich der Dresdner Bank war jedoch auch diese selbst in ihrer Eigenschaft als Hausbank. Als sich in den sechziger Jahren die Elektro–Traditionsfirma alle möglichen Unternehmen einverleibte, und die Zukäufe nur auf Pump zu finanzieren waren, freuten sich die Kredithändler der Dresdner. Und daß man in der Elektrobranche Boden gegenüber Siemens–Deutsche–Bank gutmachte, war für die Dresdner Vorstandsetage noch erfreulicher. Die Konkurrenz lauerte jedoch bereits hoffnungsfroh in den Siebzigern, als die Zinsen für die Kredite anstiegen. Und als dann kostenträchtige Rückschläge im Atomgeschäft das gemeinsame AEG– Siemens–Unternehmen Kraftwerks–Union (KWU) in Bedrängnis brachten, hatte Siemens mit der „Deutschen“ im Rücken einfach den längeren Atem - der AEG und der Dresdner Bank ging er aus. AEG mußte seinen KWU– Anteil ebenso wie andere langfristig profitable Unternehmensteile an Siemens abgeben. Seitdem hat die Deutsche Bank das Atomgeschäft nahezu monopolisiert: Über Siemens die Anbieterseite und über ihre Schlüsselbeteiligungen an den Elektrizitätswerken die Abnehmerseite. So breit gestreuter Aktienbesitz wie bei dem größten Energiekonzern VEBA macht es schwer, den direkten Einfluß der Banken auszumachen, etwa mittels des Depotstimmrechtes. Das Ergebnis ist jedoch klar: Den Aufsichtsratsposten bei VEBA stellt die Deutsche Bank. Bei so geballter wie gezielter Macht klingt es schon zynisch, wenn die Bundesregierung behauptet, sie bestimme in der Energiepolitik, wo es langgeht. Im übrigen hat die Deutsche Bank auch alleine - ohne Unterstützung ihrer „Gruppe“ - genügend Masse zu bieten: ihre Bilanz liegt mit 237,2 Milliarden DM in Dimensionen des Bundeshaushaltes. Neben den Entwicklungen bei Flick und der AEG, die der Deutschen Bank so günstig hereinliefen, schildert Pfeiffer nicht minder überwältigend, wie nach dem Tode des Hausherrn der Ausverkauf im Springerverlag der Deutschen Bank Macht beim Meinungsmacher brachte und wie die Rüstungsschmiede Krauss–Maffei von der Deutschen Bank eingesetzt wurde, um beim „Dresdner“ MBB–Konzern einen Fuß in die Tür zu bekommen. Summa summarum: Das Buch ist wichtig für alle, die sich über die ökonomischen Hintergründe und Drahtzieher der Atomenergie und Rüstung informieren wollen, wenn man sich auch einige Exkurse hätte sparen können - etwa über die volkswirtschaftliche Unsinnigkeit der AKWs. Für den etwas „Aninteressierten“ ist es auch verständlich geschrieben. Trotzdem würden dem Buch ein Glossarium und eine Graphik gut anstehen, die das gesamte Verflechtungsnetz auf einen Blick aus der Anonymität herausholt, Roß und Reiter handlich zum Kopieren verpackt benennt. Uli Kulke „Das Imperium der Deutschen Bank“ von Hermannus Pfeiffer; Campus–Verlag, April 1987, 206 Seiten mit Personen–, Sach– und Firmenregister, 24 DM