I N T E R V I E W „Mal sehen, wer drin ist“

■ Rudolf Scharping, Spitzenkandidat der SPD in Rheinland–Pfalz, will sich auf nichts und niemanden festlegen

taz: Herr Scharping, Sie haben mehrfach erklärt, daß Sie sich bei einem entsprechenden Wahlausgang mit den Stimmen der Grünen zum Ministerpräsidenten wählen lassen wollen. Eine Koalition mit den Grünen schließen Sie aber aus. Sie verfechten also so etwas wie ein Tolerierungsmodell. Sind sie eine Art SPD–Fundi? Rudolf Scharping: Weder das eine noch das andere. Die Grünen müssen selbst entscheiden, was sie wollen. Die rheinland–pfälzischen Grünen haben sich von der verheerenden Entwicklung der grünen Partei und dem Duisburger Parteitag nicht distanziert. Die Chancen, vernünftig miteinander zu reden, sind dadurch im Parlament geringer geworden. Meine Position ist bestätigt, daß man mit den Grünen auf der Ebene der Regierung ohnehin keine Koalition machen kann. Aber seitens der rheinland–pfälzischen Grünen gibt es das Angebot zur Zusammenarbeit bis hin zur Koalition. Bisher haben sie sich nur mit sehr verwaschenen Floskeln geäußert. Und die Position der rheinland–pfälzischen Grünen innerhalb der bundesweiten Entwicklung ist erstaunlich schwach. Ich muß darauf hinweisen, daß die rheinland–pfälzischen Grünen halt doch ein ziemlich provinzieller Landesverband sind. Wenn jemand keine Meinung hat zu diesem Fundamentalismus, dann hat er auch keine Meinung zu wichtigen Entwicklungen in der eigenen Partei. Mit solchen Politikern kann man nicht zusammenarbeiten. Warum schließen Sie eine Zusammenarbeit aus? In Rheinland–Pfalz ist es ihre politische, personelle und ihre organisatorische Schwäche, es ist ihre Konzeptionslosigkeit in ganz wichtigen Fragen der Politik, und bundesweit ist es der Trend, jede verantwortliche Politik einer inneren Koalition zwischen Fundamentalismus und angeblicher Realpolitik auszuliefern. Solange die grüne sogenannte Realpolitik von der Koalition mit dem Protest und mit dem Fundamentalismus abhängig bleibt, kann man auch mit denen nicht zusammenarbeiten. Was bietet sich für Sie dann überhaupt an? Sie haben mit der FDP eine Koalition ausgeschlossen, mit der CDU haben Sie das wohl auch nicht vor, mit den Grünen wollen Sie auch nicht zusammengehen. Es bieten sich zwei Erklärungen an: Die SPD ist selbst nicht bündnisfähig oder Sie rechnen gar nicht damit, daß es zu einer Mehrheit kommen wird. Die dritte ist, daß die SPD eigenständig und stark wird und dann aus eigener Kraft etwas verändern kann. In Duisburg ist das schwachköpfige Argument geboren worden, eine Veränderung in der Gesellschaft sei nur über eine Schwächung der SPD zu erreichen. Wer sich objektiv zum Handlanger von Kohl und Bangemann machen will, der soll das machen, meine Antwort darauf ist: Änderung im Sinne von menschlichem Fortschritt in dieser Gesellschaft ist nur über eine Stärkung der SPD zu erreichen, also gibt es neben den von Ihnen genannten Varianten noch eine dritte, eine starke, auf Eigenständigkeit bedachte SPD. ..die aber nicht regieren kann, denn daß sie die absolute Mehrheit erreichen, glauben Sie ja wohl selbst nicht. Wenn die SPD in ihrer 125jährigen Geschichte ohne Hoffnung gelebt hätte, wäre sie gar nicht entstanden. Verbauen Sie sich mit Ihren Aussagen nicht jede Möglichkeit, nach den Wahlen etwas zu verändern? Das glaube ich nicht. Ich habe immer gesagt, im Parlament wird mit jedem, der gewählt ist, vernünftig geredet. Mal sehen, wer drin ist. So sicher ist das ja nicht mit den Grünen. Mal sehen, wer sonst noch reinkommt. Vielleicht die Freien Listen, ich wünsch es mir nicht, aber ich werde im Parlament mit jedem vorbehaltlos reden. Nur, Koalition heißt Beteiligung an der Regierung, und dazu sind die Grünen in Rheinland–Pfalz leider nicht fähig. Interview: Rolf Gramm