Klaus Barbie: „Ich habe nur meine Arbeit getan“

■ Nach einer längeren Erklärung zur Person muß der ehemalige Gestapo-Chef nicht mehr vor Gericht erscheinen / Ein Anwalt: „Sie Feigling!“ Aus Lyon Georg Blume

Klaus Barbie muß ab sofort nicht mehr an der Verhandlung vor dem Lyoner Schwurgericht teilnehmen. Das Gericht gab gestern abend einem entsprechenden Antrag des Angeklagten statt: „Ich bin illegal, als Opfer einer Entführung hier, mit der sich das oberste bolivianische Gericht zur Zeit befaßt. Ich bitte darum, mich in die Haftanstalt Saint-Joseph zurückbringen zu lassen. Ich überlasse es meinem Anwalt, trotz des Klimas der Rache und der Kampagne der französischen Medien für die Ehre der Justiz zu kämpfen.“ So hatte Barbie sein Gesuch begründet.

Mit der überraschenden Erklärung des Angeklagten entsteht im großen Schwurgerichtssaal zum ersten Mal spürbare Unruhe. Der Gerichtsvorsitzende verwarnt das Publikum mehrmals. Einige Anwälte der Nebenklage zeigen sich sichtlich erregt: „Klaus Barbie entpuppt sich als Feigling, der sich scheut, seinen Opfern ins Gesicht zu sehen.“ Man erwartet, daß die Nebenkläger die Zwangsvorführung beantragen. Barbie war 1983 nach Verhandlungen zwischen den Regierungen in La Paz und Paris von den bolivianischen Behörden auf französisches Territorium überführt worden.

Zuvor zeigte sich Klaus Barbie als ein kooperativer Angeklagter. Am dritten Prozesstag in Lyon konnte die Vernehmung zur Person des Angeklagten ohne Zwischenfälle fortgesetzt werden. Dem Zuhörer eröffnet sich an diesem Mittwochnachmittag die scheinbar banale Karriere eines SS-Offiziers, dessen Taten ebenso klar erscheinen, wie ihre ideologischen Motive im Dunkeln bleiben.

„Meine Vorgesetzten waren meine Vorgesetzten. Ich habe nur meine Arbeit getan. Bis zum Kriege habe ich in Deutschland meine Meinung zu den Minderheiten nicht geäußert,“ beantwortet Barbie die Frage nach den Prinzipien, aufgrund derer er sich dem Nationalsozialismus angeschlossen habe. Anschließend weicht er aus: „Es ist über 40 Jahre her. Ich habe mich seit 32 Jahren nicht um Politik gekümmert. Ich habe mich um die Integration in die bolivianische Gesellschaft bemüht. Ich habe keinen Haß gegenüber den Minderheiten. In Bolivien habe ich keine Unterschiede zwischen Bolivianern, Juden, Deutschen ... erlebt.“

Wenig später entweicht Barbie ein zweites Mal der Frage nach seinen nationalsozialistischen Überzeugungen. Der Vorsitzende Cerdini nimmt Bezug auf eine Äußerung Barbies gegenüber dem amerikanischen Geheimdienstoffizier Taylor nach dem Krieg, wonach er bedauert hätte, daß „die Naziführer die Ideale des Nationalsozialismus verraten haben“. Daraufhin Barbie: „Ich bin dieser Auffassung. Die sogenannten Nazi-Bonzen haben ihre Macht zur persönlichen Bereicherung benutzt“.

„Sie haben die Idee des Sozialismus verraten. Wir in der SS waren Sozialisten, keine marxistischen, nationalistische. Sozialismus heißt Kameradschaft. Diese Kameradschaft ist verraten worden.“ Seien darüberhinaus weitere Prinzipien verraten worden, fragt Cerdini. „Da sind viele Dinge so gekommen, über die es nicht mehr lohnt zu reden. Das gehört der Vergangenheit an. Ich habe mich an die Realitäten nach dem Krieg halten müssen. Die Realität war, daß Deutschland den Krieg verloren hatte.“ Klaus Barbie, der ständig alle Höflichkeitsformen wahrte, gibt sich den Anschein eines Pragmatikers, ohne dabei seine früheren Auffassungen zu leugnen. Nur eine Überzeugung gibt er ohne Umschweife zu Protokoll: „Ich bin von Junge an Antikommunist gewesen.“ So erklärt er seine Tätigkeit für den amerikanischen Geheimdienst nach dem Krieg. Doch er verrät noch mehr über seinen damaligen Arbeitgeber: „In Wirklichkeit handelte es sich um die Organisation Gehlen. Da es keine deutsche Regierung gab, hat der amerikanische Geheimdienst diese Organisation abgedeckt. Dann wurde diese Organisation von der Regierung in Bonn übernommen und führt heute den offiziellen Namen Bundesnachrichtendienst.“

Barbies Anwalt Verges hatte am Vortag eine Einstellung des Verfahrens mit der Begründung beantragt, über die dem ehemaligen Gestapochef von Lyon vorgeworfenen Taten sei schon einmal vor Gericht entschieden worden.

Diese Delikte sind als Kriegsverbrechen verjährt.Das Gericht stellte die Entscheidung zurück.