P O R T R A I T Klaus Barbie, ein treuer Nazi

■ Hinter dem rheinischen Opa steckt der soldatische Mann / Treue zum unbefleckten nationalsozialistischen Ideal / „Antikommunismus“ Motor seiner Aktivitäten auch nach dem Krieg / Barbie als zeitgemäßes Phantom

Aus Lyon Lothar Baier

Bevor Barbie sich am Mittwoch vom Gerichtssaal in seine Haftzelle zurückbringen ließ, machte er einige Aussagen zu seiner Person, die bis auf weiteres die einzigen Elemente bleiben werden, aus denen sich ein Bild dieser Person rekonstruieren läßt. Wenn man ihn nicht ansah, glaubte man zuweilen einen gemütlichen rheinischen Opa sprechen zu hören, der seinen Enkeln die lichten Episoden eines bewegten Lebens erzählte: Adenauer war nicht weit. Sah man ihn aber zugleich sprechen, war der Ausdruck rheinischer Leutseligkeit verschwunden. Der mit seinen Uniformen, Orden und Dienstgraden verpanzerte deutsche soldatische Mann kam zum Vorschein, der sein Gegenüber nur als Vorgesetzten oder Feind ansprechen kann. Subalterne Korrektheit und taktisches Verhalten bestimmten Barbies Aussagen, vor allem über seine vom Gerichtsvorsitzenden Andre Cerdini immer wieder angesprochene nationalsozialistische Überzeugung. Barbie unterschied dabei zwischen einem Nationalsozialismus vor und nach 1945, der, wie er erklärte, sich unmöglich in ein paar Sätzen darstellen lasse. Von der Zeit nach 1945 her betrachtet, reduzierte sich der Nationalsozialismus auf ein „Ideal“, das von „Bonzen“ und Geschäftemachern in der Partei verraten worden sei. Wenn Barbie von der „Kameradschaft“ als dem Kern dessen sprach, was er und seine SS–Kumpane unter ihrem „Sozialismus“ verstanden, spielte er den Anhänger des linken Strasser–Flügels, der von Anfang an anderes gewollt hatte als die Führung der Partei. Seine weiteren Erklärungen bewegten sich ganz innerhalb der Logik der Treue, die er, anders als die „Verräter“ in der Nazi–Partei, seinem unbefleckten Ideal gehalten haben will. Ein „Sozialist“, aber kein marxistischer. Was den HJ–Führer von 1933 mit dem Agenten des US–Geheimdienstes CIC von 1947 und dem bolivianischen Reserveoffizier von 1980 verbindet, sei der „Antikommunismus“. Die übrigen Teile nationalsozialistischer Überzeugung, gab Barbie zu verstehen, seien „erledigt“, dem Realitätsprinzip zuliebe, denn „Deutschland hat den Krieg verloren“. Der enttäuschte Idealist, der sich in einen Realisten verwandelt hat und dennoch oder eben deshalb dem primären Antikommunismus treu geblieben ist: das Selbstporträt, ungeachtet aller Retuschen, will kein Fossil vorführen, sondern im Kontext des Jahres 1987 und seiner Öffentlichkeit akzeptabel sein. Mag Barbie auch ein unbelehrbarer Nazi sein, so versteht er es doch, seine Unbelehrbarkeit zeitgemäß zu kostümieren. Nach seinem Verhältnis zu Minderheiten befragt, gab sich Barbie als „Neuer Rechter“ aus, der nichts mehr respektiert als die Diversität der Kulturen. Um Politik will er sich in Bolivien nicht gekümmert haben, den ihm nahegelegten Eintritt in die faschistische „Falange“–Partei habe er abgelehnt. Nach seinem Verschwinden aus dem Gerichtssaal bleibt der Schatten eines Phantoms zurück, das einer versunkenen Vergangenheit angehört und zugleich in die Gegenwart paßt und dadurch als Bedrohung der überlebenden Opfer weiterlebt.