Lästige Pflicht

■ Die grüne Fraktion beschäftigt zu wenig Behinderte

Wer hoch steigt, fällt tief. Tatsächlich haben die Grünen mit ihrem Beschluß, zehn Prozent Schwerbehinderte in der Fraktion anzustellen, sich und ihrer Politik wohl eher geschadet, als wenn sie stillschweigend wenigstens die gesetzlich vorgeschriebene Quote von sechs Prozent erfüllt hätten. Jetzt nämlich ist offensichtlich, daß auch die Fraktion die Einstellung von Schwerbehinderten nicht als Chance versteht, politische Akzente zu setzen, sondern als lästige Pflicht. Daß die Grünen bessere Menschen sind als andere - das war nicht zu erwarten, die Aktiven der Behindertenbewegung wünschen es sich vermutlich nicht einmal. Sie wollen schließlich kein Mitleid, und komme es in noch so alternativem Gewand daher, sondern politische Unterstützung. Das Private ist politisch, haben etliche der heutigen MdBs mal propagiert. Das Arbeitsleben, das sollte ihnen auch heute noch klar sein, ist allemal politisch - auch das in der eigenen Fraktion. Und die bewußte Anstellung Schwerbehinderter hätte Anlaß sein müssen, die Effizienzkriterien und Umgangsformen in der eigenen Fraktion zu überprüfen und zu verändern. Die Grünen haben sich mit dieser Möglichkeit nicht einmal beschäftigt - genausowenig machen sie jetzt die Nichterfüllung ihres Fraktionsbeschlusses zum Thema. Damit dokumentieren sie: Von der Behindertenpolitik ihrer eigenen Partei haben sie nichts begriffen. Querdenken ist leichter als Querleben. Oliver Tolmein