Alfonsins „Mut“

■ „Befehlsnotstand“ für Argentiniens Militärs?

Zweifelsohne hat Alfonsin „Mut“ bewiesen, als er mit traurigen Augen und stotternd seinen Gesetzesvorschlag vorstellte. Er will damit den angeklagten Folterern einen rechtfertigenden „geschuldeten Gehorsam“ zubilligen. Seine Begründung: „Das Land war am Rande eines Bürgerkrieges“; noch vor vier Wochen hatte Alfonsin vor Hunderttausenden Demonstranten versprochen, die Anführer der Militärrebellion vor Gericht zu stellen und ihre Forderungen nach einer Amnestie abzulehnen. Mut wird er in Zukunft auch auf internationalem Parkett brauchen, um diese De–facto–Amnestie zu rechtfertigen. Nach internationalem Recht, das nach den Nürnberger Prozessen auch von Argentinien anerkannt wurde, verjähren die sogenannten „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nicht, und sie können auch nicht amnestiert werden. Und in der 1984 von der jungen argentinischen Demokratie stolz ratifizierten „Konvention gegen die Folterer“ der UNO wird bei Folter die Berufung auf einen „Befehl von oben“ ausdrücklich ausgeschlossen. Noch mutiger ist die Logik, nach der Delikte als strafbar und nicht strafbar unterschieden werden: Warum werden die Verbrechen der heutigen Militär–Chefs, die vor 10 Jahren mittlere Ränge bekleidet haben, nicht bestraft? Warum bleibt die Vergewaltigung einer Gefangenen strafbar, aber ihre Folter und Ermordung nicht? Warum müssen die mit Bestrafung rechnen, die die Kinder der Verschwundenen entführt und durch Fälschung der Geburtsurkunde zur Adoption freigegeben haben, aber nicht diejenigen, die das 20 Tage alte Baby mit Elektroschocks umgebracht haben? Warum gilt der „Befehlsnotstand“ nicht für die Erpressung des Privateigentums von politischen Gegnern, wohl aber dafür, daß Tausende Gefangene aus Hubschraubern in den Rio de la Plata geworfen wurden? Gaby Weber