Zu wenig Behinderte bei den Grünen

■ In der Bundestagsfraktion der Grünen sind nicht einmal sechs Prozent der Beschäftigten Behinderte / Die Fraktion hatte sich eine 10

Aus Bonn Oliver Tolmein

Der Beschluß wurde ohne große Diskussion so einmütig gefaßt, wie selten einer in der Grünen Bundestagsfraktion: Zehn Prozent Schwerbehinderte sollten als Mitarbeiter eingestellt, die gesetzlich vorgeschriebene Pflichtquote von sechs Prozent sollte damit deutlich überboten werden. Antragstellerin Jutta Osterle– Schwerin konnte zufrieden sein - die Schwerbehinderten allerdings können es bis heute nicht sein. Gerade einmal zwei halbe und drei volle Stellen sind bisher mit Behinderten besetzt. Tätig sind sie in eher untergeordneter Stellung - als SachbearbeiterInnen. Damit liegt die grüne Fraktion schlechter als die Frak tionen von CDU/CSU, SPD und FDP, die wenigstens die sechs Prozent Pflichtquote, wenn auch knapp, erfüllen. Das Dilemma bei den Grünen ist nicht neu. Die Fraktion, die in der letzten Legislaturperiode Gesetzentwürfe eingebracht hat, die die Forderungen der Behindertenbewegung aufgenommen haben, hat sich in der eigenen Praxis als wenig behindertenbewußt erwiesen: Zu keinem Zeitpunkt während der vier Jahre war die Pflichtquote erfüllt. Hans Hengelein, einer der wenigen schwerbehinderten Mitarbeiter aus dieser Zeit, der mittlerweile gekündigt hat, sieht das nicht als ein Problem des guten Willens an: „So wie hier gearbeitet wird, ist ein geregeltes Leben kaum zu führen.“ Das sind schlechte, allerdings auch veränderbare Voraussetzungen für Leute, die weitgehend pflegebedürftig sind, oder, zum Beispiel aufgrund progressiver Behinderungen, regelmäßig Therapien und Krankengymnastik machen müssen. „Dabei könnten wir hier auch mal neue Modelle von Zusammenarbeit ausprobieren, die den Erfordernissen von schweren Behinderungen Rechnung tragen und dadurch Leute eingliedern, von denen überall sonst gesagt wird, die sind doch gar nicht einzugliedern“, kritisiert ein Mitarbeiter der Fraktion deren Einstellungspraxis. Auf solche spezielleren Bedürfnisse aber scheint sich keiner der Abgeordneten einstellen zu mögen. „Das scheint mir ein Grundproblem in der Fraktion“, meint Fraktionsgeschäftsführer Michael Vesper: „Alle wollen den politischen Grundsatz durchsetzen, aber niemand will selber etwas dafür tun. Da kann ich mich noch so bemühen, die Quote hochzutreiben.“ Und das neugegründete Behindertenreferat, das auf Betreiben auch der „Bundesarbeitgemeinschaft Behinderte“ bei den Grünen in der Fraktion eingerichtet worden ist und politisches Bewußtsein hätte schaffen können, ist immer noch nicht besetzt. Es sind allerdings insgesamt in der Fraktion auch noch 15 Stellen frei. Würden zehn davon mit Schwerbehinderten besetzt werden, könnte die Fraktion ihren selbstgestellten Anspruch gerade noch knapp erfüllen.