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Moderates zur „Gewalt“ aus Bonn

■ Anhörung zu „Ursachen der Gewalt“ im Justizministerium / FDP versucht das Thema Gewalt gegen CSU zu besetzen / Engelhard will Gesetzentwurf zu Vergewaltigung in der Ehe vorlegen

Aus Bonn Ursel Sieber

Gestern lud Justizminister Engelhard (FDP) zu einer Gesprächsrunde zum Thema „Ursachen der Gewalt“. Die Anhörung stand in Zusammenhang mit einem Beschluß aus den Koalitionsverhandlungen, eine Regierungskommission einzusetzen, die die Ursachen von Gewalt untersuchen und Konzepte zu ihrer Verhinderung entwickeln soll, wie die FDP gefordert hatte. Vom Innenministerium, das die Kommission bestellt, wurde das Thema Gewalt vor allem auf die Bekämpfung „terroristischer“ Gewalt redu ziert. Die FDP ihrerseits will mit der Anhörung das Thema Gewalt für sich besetzen. Die geladenen Sachverständigen äußerten sich auffällig moderat. Der Bamberger Psychologe Herbert Selg sagte, die Staatsgewalt habe sich durch agents provocateurs „in Mißkredit gebracht“. „Überraschende Gewaltausbrüche“ würden auf Schwachstellen und auf Unmut über Lebensumstände aufmerksam machen. Der Bonner Politikwissenschaftler Manfred Funke forderte „eine höhere Dialogbereitschaft der Politiker“. Es sei falsch, erst dann zuzuhören, wenn Steine gegen Fensterscheiben geworfen würden. Der Bonner Strafrechtler Jürgen Wolter warf der Bundesregierung vor, Rasterfahndung oder verdeckte Ermittlungen erfolgten „ohne Legitimationsgrundlage“ und forderte, bis 1990 gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Staatssekretär Kinkel vom Justizministerium bezeichnete die derzeitige Praxis als „für eine Übergangszeit zulässig und gerechtfertigt“. Bei Redaktionsschluß dauerte die Anhörung an. Thema: Sexuelle Gewalt. Justizminister Engelhard hat angekündigt, er werde auch die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellen.

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