§218–Verfahren mit „Kunstfehlern“

■ Nürnberger Frauenarzt wegen illegaler Abtreibungen verurteilt / Eine Patientin war gestorben

Von Wolfgang Gast

Nürnberg (taz) - Das Nürnberger Schwurgericht hat gestern den Frauenarzt Dr. Ferdinando Peselli zu vier Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Richter Manger sah es als erwiesen an, daß Peselli in 24 Fällen rechtswidrig Abtreibungen vorgenommen hat und für den Tod einer 34jährigen Patientin verantwortlich ist. Die Frau starb infolge eines unsachgemäß ausgeführten Schwangerschaftsabbruches. Außerdem verurteilte das Gericht Peselli wegen schwerer Körperverletzung. Eine seiner Patientinnen ist seit 78 wegen eines „groben Kunstfehlers“ (Staatsanwalt Kramer) behindert. Peselli hat zwischen 1978 und 1984 als einziger Arzt im Großraum Nürnberg nach eigenen Angaben an die 15.000 Abtreibungen in einem Nürnberger Belegkrankenhaus durchgeführt. In dem Verfahren gegen den 54jährigen gebürtigen Italiener ging es denn auch weniger um die Kunstfehler, die ihm zur Last gelegt wurden. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand vielmehr eine gerichtliche Verfolgung von Schwangerschaftsabbrüchen. Fortsetzung Seite 2 Peselli soll die Abtreibung illegal vorgenommen haben, weil er die vorgelegten Indikationsgutachten anderer Ärzte nicht überprüft hat. Sie hätten, so das Gericht, den Erfordernissen einer sozialen oder medizischen Indikation nach Paragraph 218 bei weitem nicht entsprochen. Bei der Unterschiedlichkeit aller Fälle wäre ihnen gemein, daß weder aus medizinischer Sicht noch aufgrund einer sozialen Notlage „objektiv ein Grund zum Abbruch der Schwangerschaft“ vorgelegen habe. Wegen dieser Gutachten wurde mittlerweile gegen zwei weitere Ärzte ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. In einem Fall stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen eine Geldstrafe von 16.000 DM ein, im anderen soll noch Anklage erhoben werden. Staatsanwalt Kramer führte aus, daß es die Pflicht Pesellis gewesen wäre, unter der Maßgabe vom besonderen Schutz des ungeborenen Lebens die Gutachten zu überprüfen, um dann individuell eine Abtreibung zu befürworten oder abzulehnen. Peselli hat sich aber nur um das bloße Vorhandensein der notwendigen Gutachten gekümmert. Ihm habe damit der „Rettungswille“ für das ungeborene Kind gefehlt. Der „Wert des werdenden menschlichen Lebens“ sei vom Gesetzgeber sehr hoch angesetzt worden und Aufgabe der 5. Kammer des Schwurgerichts sei gewesen, „daß dies nicht aufgeweicht wird“ Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft dem gebürtigen Italiener 96 illegale Abtreibungen vorgeworfen. Dabei soll er den Frauen wiederholt gegen ihren Willen die Spirale eingesetzt oder sie sterilisiert haben. Zur Straffung und wegen der „Überlastung der Kammer“ hatte das Gericht 21 der Fälle eingestellt und 48 abgetrennt. Das gestrige Urteil des Nürn berger Schwurgerichtes wird einen langen Schatten auf die Situation schwangerer Frauen werfen. Mit der Verurteilung Dr. Pesellis und den Ermittlungen gegen Ärzte, die die Indikationsgutachten ausgestellt haben, werden die Möglichkeiten, legal eine Schwangerschaft zu unterbrechen, drastisch eingeschränkt.