Katerstimmung in Mainz

Mainz (taz) - „Wir betrachten das Landtagswahlergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge.“ Mit dieser Sprachregelung ging das Sprechertrio der rheinland–pfälzischen Grünen am Morgen nach der Wahl in die Öffentlichkeit. Einerseits, so die offizielle Stellungnahme, habe man nun die Möglichkeit, auch im Landtag grüne Politik zu machen, andererseits habe man „ernüchtert“ festgestellt, daß „eines der Hauptziele, nämlich ein atomstromfreies Rheinland–Pfalz mit diesem Wahlergebnis zunächst einmal verfehlt worden ist“. Die Katerstimmung der Grünen ergab sich allerdings nur zum kleinsten Teil aus der Tatsache, daß es bei einer konservativen Regierungsmehrheit geblieben ist. Damit war allgemein gerechnet worden. Nicht erwartet aber hatte die Alternativpartei das eigene schwache Abschneiden und vor allem nicht, daß sie erst nach der FDP viertstärkste Fraktion wurde. Auf eine 7 vor dem Komma hatten eigentlich alle spekuliert, einige gar auf eine 8 und mehr. Als dann kurz vor der Feststellung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses auch noch klar wurde, daß nicht sechs - wie nach den ersten Hochrechnungen - sondern nur fünf grüne Parlamentarier in den Landtag einziehen werden, wurden die Mienen bitter. Wie man sich das Ergebnis erklären soll, darüber herrscht erstmal Ratlosigkeit. Die Landesvorstandssprecherin und künftige Abgeordnete Gisela Bill erklärte gegenüber der taz, die Grünen hätten sich eben von dem Trend der Erwartungshaltung mitreißen lassen, daß ihre Partei immer gleich drei Prozent zulegen müsse. Ohne die Plattform des Parlaments sei für die Grünen bei der konservativen Grundstimmung in Rheinland–Pfalz eben nicht mehr zu holen gewesen. Darauf angesprochen, daß ihre Partei schließlich gegenüber den Bundestagswahlen über eineinhalb Prozent an bereits gewonnenen Wählern verloren hat, verweist sie auf den Duisburger Bundesparteitag. Sie sei nicht grundsätzlich gegen die dort stattgefundene Wahl, aber in Rheinland– Pfalz habe man nicht mehr vermitteln können, „daß da nicht Monster gewählt worden sind, sondern ganz kompetente Leute“. In den eigenen Reihen habe man es klarmachen können, daß der neue Bundesvorstand ein „Korrektiv zu der starken Parlamentarierseite“ darstelle, aber außerhalb des harten Kerns, bei den Leuten, die gerade für Grün gewonnen wurden, „haben sich die Leute an den Kopf gegriffen“. Die anderen Parteien hätten sich „wie die Bluthunde da drauf gestürzt“ und damit ihre eigenen Fehler übertüncht. Dabei gebe es ja in Rheinland–Pfalz diesen Fundi–Realo– Streit überhaupt nicht, weil hier der Verband „organisch gewachsen ist, erstmal in Kommunalparlamenten gearbeitet hat und nicht gleich in das Landesparlament gestoßen wurde“. „Wenn es mit der Flügelschlägerei in der Bundespartei so weitergeht“, so Gisela Bill, „können wir immer weniger von unseren Inhalten rüberbringen.“ Ihr Kolllege im Sprecheramt, Markus Thomas, will als Konsequenz gar beantragen, daß die Grünen künftig Bundesparteitage nicht mehr so legen, daß sie vor wichtigen Landtagswahlen stattfinden. Als weiteren Faktor des schlechten Wahlergebnisses betont Gisela Bill noch das überharte Vorgehen der Behörden gegen Volkszählungsgegner. Die ständigen polizeilichen Durchsuchungen von Grünen–Büros hätten „insbesondere unsere unsicheren Wähler verunsichert“. Darüberhinaus hoffen die Mainzer Alternativen, nach ihrem Einzug in den Landtag ihr Gewicht in der Bundespartei besser in die Waagschale werfen zu können. Darunter verstehen sie „eigenständige themenorientierte Arbeit“ statt „Auseinandersetzungen über den Umgang mit der SPD“. Neben der Hausfrau Gisela Bill werden die Grünen im künftigen Landtag der Biologe Harald Dörr, der Orientalistik–Professor Rotter, der Druckarbeiter Manfred Seibel und der Goldschmied Horst Steffny vertreten. Klar war am Montag vormittag, daß die Alternativen einen der Landtagsvizepräsidenten stellen wollen und daß sie eine bessere Ausstattung insbesondere der kleinen Fraktionen fordern werden. Rolf Gramm