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Vorsicht vor Vobo–Versicherung

■ Versicherungsexperten warnen: Kein Schutz, wenn der Versicherungsfall „mutwillig“ herbeigeführt wurde / Keine Übernahme von Zwangsgeldern / Versicherer interpretieren Mutwilligkeit nach ihrem Gusto

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Verärgert und skeptisch beurteilten gestern die Versicherungsunternehmen die Ankündigung des Sprechers ihres Dachverbandes, auch der Volkszählungsboykott sei von den Rechtsschutzversicherungen abgedeckt. Bei den Versicherungen standen die Telefone nicht still, weil allerorten Volkszählungsgegner noch schnell eine Rechtsschutzversicherung abschließen wollten. Versicherungsfachleute warnten jedoch davor. Richtig sei zwar, daß die Versicherungen prinzipiell auch für Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit der Volkszählung Rechtsschutz gewähren. Dieser Rechtsschutz sei jedoch an die Bedingung geknüpft, daß der Versicherungsfall nicht mutwillig herbeigeführt sei. Was die Versicherungen unter „mutwillig“ verstehen, hat ein großes Unternehmen auf Anfrage eines Berliner Versicherungskaufmanns so definiert: „Von Mutwilligkeit wird man wohl sprechen können, wenn es der Versicherungsnehmer zu einem Bußgeldverfahren kommen läßt, ohne vorher alle Rechtsmittel wie z.B. den Widerspruch gegen die Verwaltungsrechtliche Anordnung der Volkszählung und eine eventuelle Klage dagegen ausge schöpft zu haben.“ Die Kosten für diesen Gang zum Verwaltungsgericht wollen die Versicherungen jedoch nicht zahlen. Ob es tatsächlich als „Mutwilligkeit“ gilt, wenn jemand nicht zuvor alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft hat, ist rechtlich fraglich. Auf Anfrage erklärten gestern Vertreter verschiedener Versicherungsgruppen, die Lage sei zwar noch nicht endgültig geklärt. Sie könnten sich jedoch einen Rechtsschutz nicht vorstellen, da der Versicherungsfall hier eindeutig vorsätzlich herbeigeführt sei und das Verfahren keine Aussicht auf Erfolg habe. Wenn überhaupt, würden die Versicherer auch nur die Kosten für das Buß– und nicht für das Zwangsgeldverfahren übernehmen. Der Vertreter eines Berliner Versicherungsbüros warnte daher: „Finger weg für alle, die nur wegen des Vobos eine Rechtsschutzversicherung abschließen wollen“. Abgesehen von dem eher unwahrscheinlichen Rechtsschutz würden sich die Boykotteure damit teure Versicherungen mit langjährigen Laufzeiten einhandeln.

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